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Betrachtet man den Hai auch nur vom Käfig aus, steigt der Adrenalinpegel gewaltig, wenn er auf Augenhöhe herankommt.

Foto: Jeffrey L. Rotmann / Corbis

Anreise & Unterkunft

Anreise u. a. mit South African Airways über Johannesburg nach George. Wer Haiflossen lieber beim Golfen von der Klippe aus beobachtet, kann im Hyatt Regency Oubaai Golf Resort übernachten.

Foto: Hyatt Regency Oubaai Golf Resort

Infos zum Käfigtauchen: www.whitesharkafrica.com

Grafik: DER STANDARD

Auf einmal ist sie da, die graue Schwanzflosse. Zieht immer engere Kreise um das Boot, streift sachte an der Schiffswand, taucht lautlos zurück in die Tiefe. Auf dem Deck löst sich Spannung in Stimmengewirr auf: Sie sind gekommen, die weißen Haie. Vor nicht einmal einer Stunde hat das Schnellboot den Hafen von Mossel Bay verlassen. Der helle Küstenstreifen mit seinen auf Wellen tanzenden Surfern bleibt zum Greifen nah. Fischreste haben die Haie angelockt, beißender Geruch steigt aus dem Kübel mit der blutigen Suppe. "Ab in den Käfig." Der Kapitän deutet auf zwei weitere Flossen und klatscht in geschäftiger Eiligkeit in die Hände. Drei Männer und zwei Frauen zwängen sich in Gummianzügen an ihm vorbei ins Wasser. Seile halten das Stahlgerüst dicht an der schwankenden Reling. "Von rechts", schreit er. Fünf Köpfe tauchen ins Wasser.

Geschätzt 70 weißen Haie patrouillieren in der Bucht von Mossel Bay, 350 Kilometer östlich von Kapstadt. Die Küste ist reich an Seehunden und eines ihrer letzten großen Refugien. Seit zwanzig Jahren stehen sie unter Schutz, ihre Population nimmt dennoch stetig ab. Für Hochseefischer sind sie eine begehrte Trophäe, und der Handel mit Kiefern wie Skeletten blüht, tausende von Dollar ist ein Gebiss ist auf dem Schwarzmarkt wert.

Der Rummel um die Haie zieht auch legale Geschäfte an. Ins Wasser gelassene Käfige versprechen Adrenalinschübe, zum Angreifen nah schweben die weißen Riesen an den Tauchern vorbei. Unzählige kommerzieller Anbieter buhlten in den 90er-Jahren verbissen um den lukrativen Haikontakt, gerieten dabei in die Reviere der Wissenschafter und Behörden, die vor höheren Risiken von Angriffen auf Schwimmer warnten. Der Konflikt eskalierte - bis Sperrzonen, strengere Zugangs- und Verhaltensregeln die Zeit der Anarchie beendeten.

Der negative Einfluss des Menschen lasse sich dennoch nicht leugnen, sagt Michelle Lucas und streicht sich ein Haarbüschel aus dem Gesicht, er selbst versuche ihn so gering wie möglich zu halten. Der bärtige Südafrikaner reiste als Haiforscher um die Welt, leitete das Zentrum für White-Shark-Research in Kapstadt. Doch die Politik habe sich aus seiner Sicht immer öfter in die Forschung eingemischt, fügt er hinzu. Er habe das ganze dann sein lassen und sich vor drei Jahren mit einer Agentur rund ums Haitauchen und seinem elf Meter langen Boot in Mossel Bay selbstständig gemacht.

Es ist ein geruhsames Städtchen - wie so viele an der südafrikanischen "Garden Route", in denen Pensionisten aus Europa ihre Zweitwohnsitze pflegen. Vom Meer aus lassen sich in der Ferne schroffe Berghänge ausmachen. Dazwischen weiße Sandstrände, Golfplätze über Steilklippen und die gezähmte Wildnis der Safariparks. Knapp unter der Wasseroberfläche gleitet ein vier Meter langer Hai eine Armlänge entfernt am Käfig vorbei. Den mit Stofffetzen umwickelten Köder ignoriert er, allein die Insassen scheint er gelassen zu mustern. Ein kleinerer beißt vorsichtig in die Gitterstäbe, der Blick auf die messerscharfen Zahnreihen lässt seine Beobachter zurückfahren, sie schlucken Fischsuppe, tauchen auf, schnappen nach Luft. Auf dem Boot hektische Euphorie: Kameras folgen den Richtungskommandos des Kapitäns, neue Köder fliegen durch die Luft, die nächste Gruppe macht sich zum Abtauchen bereit.

Bis zu drei Tonnen Druck auf einen Quadratzentimeter kann ein Biss ausüben. Rund die Hälfte der Haiattacken enden für Robben tödlich. Er habe fast acht Meter lange Exemplare gesehen, erzählt Lucas. Überlegt und kontrolliert seien sie, hochsozial, nur wenige Male habe er harte Kämpfe untereinander erlebt. Es sei ihm auch zuwider, sie für den Nervenkitzel seiner Kunden aggressiv zu machen, ihre Schönheit wolle er ihnen vielmehr vermitteln. Über die ganze Südküste verteilt gebe es etwa fünf Angriffe auf Menschen im Jahr, bei 100.000 Schwimmern. Der letzte tödliche vor Mossel Bay soll ein Jahrzehnt zurückliegen, meint Pilot Mario, der die weißen Riesen für Touristen aus der Luft aufspürt. Dreimal größer als das nahe Surfbrett sei einer gewesen, den er einmal vom Hubschrauber aus ausmachte. Passiert sei in diesem Fall nichts, es komme vereinzelt leider allerdings auch zu tödlichen Attacken.

Auf dem offenen Meer kommt lebhafter Wind auf. Fast ein halbes Dutzend Haie umkreist das Boot, die Mannschaft zieht die Gitterstäbe aus den Wellen und wirft den Motor an. Er tauche auch mit ihnen, ganz ohne Käfig, sagt Lucas und mustert die bunte Truppe an Bord, die ob der Wellen Mühe hat, das Gleichgewicht zu halten. Anfängern würde er das nicht empfehlen. (Verena Kainrath/DER STANDARD/Rondo/11.02.2011)