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Die Schweizer stimmen am Sonntag auf Initiative von Waffengegnern über schärfere Kontrollen für Waffenbesitzer ab. Jeder dritte Haushalt im Land verfügt über mindestens eine Waffe.

Foto: Reuters/Hartmann

Der Amokläufer hatte sich als Polizist getarnt. Er führte ein Sturmgewehr der Schweizer Armee, eine Pistole. Drei Minuten schoss der Mann im Kantonsparlament Zug um sich. Dann zündete er eine Handgranate. Beim schlimmsten Massaker der Schweizer Kriminalgeschichte 2001 starben 15 Menschen.

Die sorgfältig geplante Tat schockierte die sonst so ruhige Eidgenossenschaft. Immer mehr Befürworter strikter Waffenkontrollen traten auf den Plan. Kommenden Sonntag stimmen die Schweizer ab: Eine Volksinitiative fordert mit härteren Gesetzen besseren "Schutz vor Waffengewalt". Regierung, Parlament und die Armeelobby stemmen sich dagegen.

In der Volksinitiative haben sich 37 Organisationen wie die Grünen aus dem Kanton Zug, Friedensverbände und Mediziner zusammengeschlossen. Die Unterstützer reichen vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund bis zum Bestsellerautor Martin Suter: Sie alle wollen weiteres Blutvergießen stoppen. "Jedes Jahr kommen in der Schweiz rund 300 Menschen durch Schusswaffen ums Leben", rechnen sie vor. "Das sind 300 zu viel." Die Täter sind vor allem Männer.

Die Schweizer horten zu Hause rund 2,3 Millionen Gewehre, Karabiner, Flinten und Pistolen. In jedem dritten Haushalt liegt mindestens eine Waffe. Diese Aufrüstung verdankt die Schweiz auch ihrer Armee. Traditionell dürfen die Soldaten ihre Handfeuergeräte daheim verstauen.

"Das Sturmgewehr im Kleiderschrank ist ein Relikt aus dem Kalten Krieg" ohne Nutzen, kritisieren die Waffengegner. Und sie verweisen auf den hohen Verlust von offiziell 4700 Armeewaffen in den vergangenen 40 Jahren - Einbrecher erbeuteten viele der Geräte.

"Waffen sind definitionsgemäß Tötungsinstrumente, sie gehören daher nicht in die Umgebung von Zivilisten und Familien", sagt Ellen Ringier von der Volksinitiative. Die Waffengegner wollen, dass Armeeangehörige ihre Gewehre und Pistolen nicht mehr zu Hause deponieren dürfen. Die Zahl der Waffen soll zudem mit schärferen Bedarfs- und Fähigkeitsprüfungen gesenkt und ein nationales Register eingeführt werden.

Die Regierung, die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei und Armeeverbände wollen jedoch von schärferen Kontrollen nichts wissen. Man habe die Gesetze bereits verschärft und dadurch keinen freien Waffenhandel unter Privaten mehr, heißt es von der Regierung. Der Kauf der Pump-Action-Waffen für private Zwecke ist verboten.

Zudem unterstreicht das Kabinett: Soldaten können ihre Schießgeräte freiwillig im Zeughaus abgeben. Und sie erhalten keine Munition mehr.

Für die Regierung liegt das Problem beim "verantwortungsvollen Umgang mit Waffen". Einige rechte Politiker warnen das Volk zudem im Fall von schärferen Gesetze kommen vor einem "Waffenmonopol für Verbrecher". Denn Kriminelle scherten sich nicht um Registrierungen oder Ähnliches. (Jan Dirk Herbermann aus Genf/DER STANDARD, Printausgabe, 10.2.2011)