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Auch sie gibt es bei den Protesten: die religiösen Frauen, hier eine Gruppe auf dem Tahrir-Platz am Dienstag. Viele dieser aktiven Frauen fühlen sich durch die männerdominierte Muslimbruderschaft nicht vertreten.

Foto: epa/FELIPE TRUEBA

Als disparate Bewegung von unten haben die ägyptischen Demonstranten nicht nur einen Vertreter. Ein "Lenkungsgremium" soll die Stimmen der unterschiedlichen Gruppen bei Verhandlungen bündeln. 

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Kairo/Wien - Es ist die Revolte der Menschen und nicht der Gruppen - was die Repräsentation in Gesprächen mit dem Regime nicht leichter macht. In einem "Lenkungsgremium" haben sich am Sonntag die Führer einiger Parteien und Gruppierungen zusammengefunden, um mit einer Stimme zu sprechen.

Theoretisch hat Ägypten ja ein Mehrparteiensystem, und es gibt an die zwanzig zugelassenen Parteien - wobei das Gesetz, das die Parteienzulassungen reglementiert, einer der ersten wichtigen Reformpunkte im System darstellt. Im Lenkungsgremium sind jedoch vor allem nicht als Parteien registrierte Bewegungen vertreten, zu denen ja auch die Muslimbrüder gehören - die im Ausland momentan mehr Interesse hervorrufen als in Ägypten.

Treibende Kraft bei den Protesten war und ist gewiss die Facebook-Gruppe 6.-April-Jugendbewegung. Sie nennt sich nach dem 6. April 2008, als sie via Internet in Solidarität mit den streikenden Arbeitern der Industriestadt al-Mahalla al-Kubra zum Generalstreik aufrief. Neben ihr sollen aber auch noch andere Jugendgruppen im Lenkungsgremium vertreten sein, zumal sonst dort lauter ältere Herrschaften sitzen.

Der berühmteste ist Mohamed ElBaradei, der nach seiner Pensionierung als IAEO-Chef in Wien die National Association for Change gegründet hat. ElBaradei ist der - nicht unumstrittene - Sprecher des Komitees, der jedoch erst persönlich verhandeln will, wenn sich Präsident Hosni Mubarak aus dem Spiel genommen hat.

Eine zugelassene Partei ist die liberale, säkulare Ghad (Morgen) von Ayman Nur, der böse Bekanntschaft mit den Behörden machte, die ihn beschuldigten - wie seine Anhänger sagen: grundlos -, bei der Parteigründung im Jahr 2004 Unterschriften gefälscht zu haben. Er verbrachte längere Zeit im Gefängnis. Ein Avantgardist der heutigen Opposition ist auch George Ishak, früherer Gewerkschafter und Gründer einer Bewegung, die durch ihren Slogan-Namen Kefaya (Genug) Berühmtheit erlangte. Mit "genug" war von Beginn an "genug Mubarak" gemeint. Als Kefaya-Sprecher fungiert meist der Publizist Abdel Halim Qandil, der eigentlich zur Nasseristischen Partei gehört. Er wurde 2004 entführt, in die Wüste verschleppt und verprügelt - wohl Teil einer Einschüchterungskampagne des Regimes. Eine neonasseristische Partei ist Karama (Würde), die ebenfalls vertreten ist. Weiters ist ein prominenter Dissident der Regimepartei NDP (Nationaldemokratische Partei) dabei: Osama al-Ghazali Harb mit seiner Demokratischen Front.

Eine alte Partei ist die Arbeitspartei, die aber nur in ihren Anfängen links war und heute religiös ist - sie wurde 2000 verboten, als sie zu Studentenprotesten aufrief. Ihr Führer, Magdy Ahmed Hussein, ist inhaftiert, weil er gegen Mubaraks Abriegelungspolitik des Gazastreifens protestierte.

Eine ältere Linkspartei ist die Tagammu (Sammlung), deren Chef Abdel Ezz Hariri auf den Zug aufgesprungen ist, während man von der Neuen Wafd-Partei, der Erbin der historischen Wafd (Delegation), noch nicht viel gehört hat. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 9.2.2011)