Das 95 Millionen Jahre alte Fossil der ausgestorbenen Schlangenart Eupodophis descouensi.

Foto: Alexandra Houssaye

Falschfarbenaufnahme des zweiten Beines.

Foto: ESRF

Mit Hilfe einer neuen Röntgentechnik hat eine Forschergruppe Hinweise erhalten, wie Schlangen im Laufe der Evolution ihre Gliedmaßen verloren. Die Wissenschafter hoffen, damit eine Debatte unter Paläontologen ein Stück vorwärts zu bringen: Stammen die heutigen Schlangen von Urzeitreptilien ab, die auf dem Land lebten, oder von Meerestieren? Die detailreichen, dreidimensionalen Röntgenbilder der Beinreste einer heute ausgestorbenen Schlange zeigen eine innere Architektur, die denen der heutigen Eidechsen ähnelt.

Schlange mit Schlüsselstellung

Weltweit sind nur drei Exemplare eines Schlangenfossils mit erhaltenen Beinknochen bekannt. In diesem Experiment wurde eine Eupodophis descouensi untersucht, deren 95 Millionen Jahre alte, versteinerte Überreste vor zehn Jahren im Libanon entdeckt wurden. Die etwa 50 cm lange Schlange trägt am Hüftkorb ein kleines, zwei Zentimeter langes Bein. Dieses Detail verleiht dem Fossil eine Schlüsselstellung zum Verständnis der Schlangenevolution, da es einen entwicklungsgeschichtlichen Zwischenschritt darstellt, während der diese Schlangen ihre von den Eidechsen geerbten Beine noch nicht vollständig verloren hatten. Da nur ein Bein an der Oberfläche des Fossils sichtbar ist, wurde ein zweites, verstecktes Bein in der Steinplatte vermutet, tatsächlich mittels Synchrotronstrahlung nachgewiesen und in allen Details abgebildet.

Die hochaufgelösten, dreidimensionalen Aufnahmen, vor allem des im Stein verborgenen Beins, legen nahe, dass diese Spezies ihre Beine aufgab, indem sie weniger schnell oder nur für kurze Zeit wuchsen. Die Aufnahmen zeigen auch, dass das im Stein verborgene Bein am Knie gebogen war und vier Knöchelknochen besaß, dagegen weder Fuß- noch Zehenknochen.

"Die Entdeckung der inneren Struktur der hinteren Eupodophis-Gliedmaße erlaubt uns, jetzt den Prozess der Regression der Gliedmaße in der Schlangenevolution zu untersuchen", kommentiert Alexandra Houssaye vom Museum National d'Histoire Naturelle (MNHN) in Paris die Untersuchung.

Hochauflösende Laminographie

Die Forscher benutzten für das Experiment die Synchrotron-Laminographie. "Diese neue Technik haben wir speziell für die Untersuchung größerer, flacher Objekte entwickelt", erläutert Lukas Helfen, der vom Institut für Synchrotronstrahlung des Karlsruher Instituts für Technologie zum European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble kam, um dort ein Strahlrohr mit dieser Technik auszurüsten und zu betreiben. "Die Synchrotron-Laminographie ähnelt der Computer-Tomographie (CT), die in vielen Krankenhäusern benutzt wird, erlaubt jedoch eine Auflösung im Mikrometerbereich. Das ist tausend Mal besser als ein klassischer CT-Apparat."

Bei der Laminographie wird das Fossil im schrägen Winkel zu einem intensiven, hochenergetischen Röntgenstrahl rotiert, wobei während einer 360-Grad Drehung Tausende zweidimensionaler Aufnahmen aufgezeichnet werden. Aus diesen Einzelbildern wird dann ein hochaufgelöstes dreidimensionales Modell berechnet, das auch versteckte Details wie die innere Struktur der Beine wiedergibt.

"Große Synchrotrone machen es möglich, mikroskopische Details in Fossilien zu erkennen, die anderen Techniken verborgen bleiben. Zudem können Synchrotrone diese wertvollen Objekte vollkommen zerstörungsfrei untersuchen", ergänzt Paul Tafforeau von der ESRF, einer der Mitautoren der Studie. (red)