Michael Frass, ist Facharzt für Innere Medizin und hat die Position des Vizepräsident der Ärztegesellschaft für Klassische Homöopathie inne. Außerdem ist er Leiter der Spezialambulanz „Homöopathie bei malignen Erkrankungen" im AKH Wien und Präsident des Dachverbandes Österreichischer Ärzte für Ganzheitsmedizin.

 

Foto: Michael Frass

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Am 5. Februar um 10: 23 Uhr Ortszeit werden sich morgen am Stephansplatz die Aktionisten eine "Überdosis" homöopathischer Mittel verabreichen, und zwar Globuli der Verdünnungsstufe C30, die Namen wie "Phosphorus" (Phosphor), "Arsenicum" (Arsen) und "Strychnos nux vomica" (Brechnuss) tragen.

Mit der "Aktion 10:23" haben Skeptiker der Homöopathie am Samstagvormittag in einem Selbstversuch die Wirkungslosigkeit der Homöopathie demonstrieren. Michael Frass, Vizepräsident der Ärztegesellschaft für Klassische Homöopathie übt Kritik an den Kritikern.

derStandard.at: Bei der Aktion 10:23 nehmen hunderte Aktionisten einmalig eine größere Anzahl Globuli ein. Welche Wirkung darf man sich aus homöopathischer Sicht erwarten?

Frass: Selbstverständlich keine, weil die einmalige Einnahme einer Hochpotenz bei gesunden Personen nur selten ausreicht, eine Reaktion hervorzurufen. Jede Arzneimittelprüfung an gesunden Probanden setzt voraus, dass die Einnahme eines Präparates häufiger erfolgt. Es spielt auch keine Rolle, ob jemand zwei oder aber 500 Kügelchen auf einmal schluckt. Diese Aktion ist daher keine Desavouierung der Homöopathie - wie von den Kritikern eigentlich erwünscht - sondern vielmehr eine, nach dem Arzneimittelgesetz durchgeführte Sicherheitsstudie. Hinterher weiß man dann nur soviel, dass es vollkommen ungefährlich ist einmalig Hochpotenzen einzunehmen. 

derStandard.at: Welche Motivation steckt dann konkret hinter dieser Protestaktion?

Frass: Die Motivation der Aktionisten ist mir unklar, denn Homöopathie definiert sich ja nicht durch Hochpotenzen, sondern über das Ähnlichkeitsprinzip und das gibt es auch in der konventionellen Medizin. Wenn man beispielsweise das Herzglykosid Digitalis einnimmt, dann kann ein gesunder Organismus mit Herzrasen reagieren. Das ist seit dem 18.Jahrhundert bekannt und umgekehrt wird Herzrasen auch mit Digitalis therapiert. Die Aktion 10:23 ist nur ein glänzender Selbstversuch, um die Sicherheit homöopathischer Substanzen zu bestätigen, aber nicht, wie die Veranstalter glauben, ein Beweis dafür, dass Homöopathie nicht wirkt. 

der Standard.at: Kann denn die falsche Einnahme homöopathischer Arzneimittel überhaupt Schaden anrichten?

Frass: Durchaus. Es gibt beispielsweise den tragischen Fall einer 32-jährigen Frau, die nach mehrmonatiger unkontrollierter Einnahme einer Niederpotenz im Jahr 1992 an den Folgen einer Arsenvergiftung gestorben ist. Christian Reiter, Gerichtsmediziner an der Medizinischen Universität Wien hat diesen Fall nach ausführlichem Studium der Homöopathie gelöst und publiziert. 

derStandard.at: Kritiker behaupten, dass Patienten mit ernsthaften Erkrankungen Gefahr laufen, eine medizinische Behandlung zu verabsäumen, in dem Glauben dass die Homöopathie ihr Leiden heilen kann. Ist diese Angst berechtigt?

Frass: Natürlich nicht. Wir sind in Österreich in der glücklichen Lage, dass Homöopathie nur von Ärzten durchgeführt werden kann, die selbstverständlich eine entsprechende Ausbildung durchlaufen. Aber menschliche Fehler gibt es hier und dort und unter Umständen kann es umgekehrt auch passieren, dass Patienten, die nicht zeit- und fachgerecht zum Homöopathen überwiesen werden, dadurch einen gesundheitlichen Nachteil erleiden. Mir fallen dazu drei Patienten mit schweren eindeutig diagnostizierten Krankheiten ein, die, bevor sie mit einer konventionellen Therapie behandelt wurden, bereits unter der Einnahme homöopathischer Arzneimittel geheilt werden konnten. Mit Placebo lassen sich solche Ergebnisse ganz sicher nicht erzielen.

derStandard.at: Kritiker behaupten aber, dass sämtliche Metastudien beweisen, dass, die klinischen Wirkungen der Homöopathie auf dem Placebo-Effekt beruhen. 

Frass: Die Wahrheit ist, dass es viele Metaanalysen gibt die eine Wirkung der Homöopathie bestätigen. Die bedeutendsten, die mir einfallen, sind jene von Kleijnen et al. (1991) und von Linde et al. (1997). Die letzte im Lancet veröffentlichte Metaanalyse aus dem Jahr 2005 (Shang A, et al, Lancet 2005; 366:726-32) spricht ebenfalls für die Homöopathie, wurde aber falsch interpretiert. Ich persönlich konnte den Placeboeffekt durch die Anwendung bei Intensivpatienten ausschließen. Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften in Wien (GWUP) setzt sich vorwiegend aus Nicht-Medizinern zusammen und sieht sich außerstande, medizinwissenschaftlich zu argumentieren. Hier wird auf sehr niedrigem Niveau eine Verächtlichmachung der Homöopathie betrieben und abfällig über Homöopathen gesprochen. Mir geht es dabei nicht um meine Person, sondern einzig und allein um das Wohl der Patienten. 

derStandard.at: Warum denken Sie denn, dass die Homöopathie so vielen Menschen ein Dorn im Auge ist?

Frass: Dazu habe ich keine genaue Vorstellung. Es könnte aber so sein wie in Großbritannien, wo ja im letzten Jahr eine ähnliche Aktion durchgeführt wurde, dass diese möglicherweise von Pharmafirmen gesponsert wird. In Großbritannien ist diese Vermutung bis heute unwidersprochen. Warum die Aggressivität aber so groß ist, ist vielleicht darin begründet, dass die Homöopathie zu weniger Einweisungen in die Krankenhäuser führt und damit zu einer enormen Kosteneinsparung. 

derStandard.at: Worauf beruht denn nun die Wirkung homöopathischer Arzneimittel?

Frass: Die Wirkung dürfte darauf beruhen, dass das homöopathische Arzneimittel dem Organismus eine Information gibt, die dieser im Sinne einer Selbst- und Spontanheilung umsetzt. Voraussetzung ist eine individuelle Anpassung der homöopathischen Medikamente. 

derStandard.at: Skeptiker behaupten, dass in Hochpotenzen nur Zucker, Wasser oder Alkohol enthalten ist. Wie kann das noch wirken?

Frass: Auch das ist natürlich schon längst widerlegt. Es gibt Grundlagenexperimente, die zeigen dass Hochpotenzen physikalische Eigenschaften entfalten. Es ist nirgendwo vorgeschrieben, dass man Hochpotenzen verwenden muss. Wer also damit ein intellektuelles Problem hat, der möge Niederpotenzen verwenden. Dieser Schmäh mit den Hochpotenzen, die man verwenden muss, steht nirgendwo in Stein gemeißelt. Aber natürlich haben die Homöopathen damit Erfahrung und ich lade alle ein, mir den Placeboeffekt einmal umgekehrt zu beweisen.  (derStandard.at, 04.02.2011)