Wien - Mit Bildern eines hochauflösenden Transmissionselektronenmikroskops (TEM) konnten Wissenschafter nun experimentell nachweisen, dass die Details im Bildkontrast hochauflösender Elektronenmikroskopie-Abbildungen nicht nur strukturelle Informationen, also die Positionen der Atome, sondern auch Informationen über die lokale Verteilung der Elektronen enthalten. Damit eignet sich dieses Mikroskopieverfahren nicht nur dazu, die Position von Atomkernen auf Pikometer (ein Milliardstel Millimeter) genau zu bestimmen, sondern - unter bestimmten Voraussetzungen - auch die Verteilung und Dichte der Elektronen des jeweiligen Atoms zu bestimmen. Die kürzlich in der Fachzeitschrift "Nature Materials" veröffentlichte Arbeit wurde an der Universität Ulm durchgeführt, Studienautor Jannik Meyer arbeitet mittlerweile an der Uni Wien.

"Um die Ladungsverteilung zu analysieren, muss man sehr genaue Messungen im TEM machen", erklärte Meyer im Gespräch. Denn die Verteilung der Ladungen trägt viel weniger zu dem mit TEM erzeugten Bild bei als die Struktur der Probe, also die Position der Atomkerne. Voraussetzung dafür ist, dass die Geometrie einer Probe, insbesondere deren Dicke, genau bekannt ist, und sie nicht verschmutzt ist, da Schmutzschichten Störsignale liefern würden. Zudem mussten die Wissenschafter die Energie des Elektronenstrahls des TEM reduzieren. Dieser Strahl tastet die Probe ab, um ein Bild davon zu erzeugen. Ist er zu stark, würde die hauchdünne Probe beschädigt.

Geeignete Materialien

Relativ einfach waren all diese Voraussetzungen mit sogenannten zweidimensionalen Materialien zu erfüllen, wie das 2010 zu Nobelpreis-Ehren gekommene Graphen (zweidimensionale Kohlenstoffkristalle) und Bornitrid. Diese Materialien bestehen jeweils aus nur einer Lage von Atomen, ihre Dicke ist also genau bekannt. Zudem ist ihre Oberfläche sehr inert, also reaktionsträge, wodurch sich keine störenden Schmutzfilme bilden.

Unter dem TEM sieht man bei diesen Materialien bestimmte Effekte der Ladungsverteilung. Sie zeigen, in welchen Bereichen rund um einen Atomkern sich mehr oder weniger Elektronen befinden. Daraus können die Wissenschafter die Art einer chemischen Bindung zwischen Atomen oder den Ionisationsgrad einzelner Atome bestimmen. "Zudem ermöglicht uns das weitergehende Einsichten in die elektronischen Eigenschaften eines Materials", so Meyer.

So konnten die Wissenschafter in Bornitrid den Transfer von Elektronen vom Bor auf den Stickstoff nachweisen. Baut man dagegen bei Graphen zwischen die Kohlenstoffatome einzelne Stickstoffatome ein - die Wissenschafter sprechen von "dotieren" -, bleiben die beteiligten Atome weitgehend neutral. Allerdings führen die gestörten Bindungsverhältnisse rund um das Fremdatom zu Ladungsverschiebungen. "Solche Erkenntnisse könnten wichtig sein, um beispielsweise geeignete Dotierungen für elektronische Systeme auf Basis des Graphen zu finden", betonte Meyer.

Auch wenn es für andere Materialien schwieriger sein wird, Proben mit einer genau bekannten Anzahl von Atomlagen und einer geordneten Struktur an der Probenoberfläche herzustellen, rechnet der Wissenschafter damit, dass weitere Arbeiten zur Analyse der Elektronenverteilung bald folgen werden. Die Voraussetzungen dafür seien jetzt jedenfalls bekannt. (APA/red)