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"Es geht mir gut": Ex-Präsident Jacques Chirac.

Foto: Reuters/Gonzalo Fuentes

Jahrelang hatte die französische Justiz versucht, den ehemaligen Präsidenten wegen Scheinjobs im Rathaus und anderer Mauscheleien zu belangen. Vergeblich: Als Staatschef genoss Chirac von 1995 bis 2007 absolute Immunität; seither versuchen seine Anwälte eine Anklage mit allen Mitteln zu verhindern. Aber die Justiz bleibt hart: Am 7. März sollen die zwanzig Jahre zurückliegenden Affären endlich aufgerollt werden.

In den letzten Wochen sind neue Zweifel aufgekommen, ob Chirac wirklich vor Gericht erscheinen wird. Le Monde berichtete von "Absenzen" des ehemaligen Staatschefs und mutmaßte, seine Anwälte könnten anstelle ihres Klienten ein Arztzeugnis mitbringen.

In Pressekommentaren hieß es, man sollte den "alten Jacques" doch in Ruhe lassen. Der ist heute populärer, als er es während seiner Amtszeit jemals war. Viele Franzosen vergeben ihm seine Politsünden: "Es ist traurig, dass ein Präsident der Republik, der unser Land durchaus ehrenwert vertreten hat, auf diese Weise vor Gericht gezerrt wird", meinte etwa der einflussreiche Politberater Alain Minc. In einem Internetforum schrieb ein Teilnehmer: "Jacques, trotz allem warst du sympathischer als Toopty, den wir nicht mehr ertragen." Toopty ist Neufranzösisch für "tout petit" (ganz klein) und meint den aktuellen Staatspräsidenten.

Am Wochenende sprach das Journal du Dimanche im Zusammenhang mit Chirac von "Schwächeanfällen" und gar von "Alzheimer". Frühere politische Gegner meinten darauf, Chirac wolle sich mit solchen "bestellten" Medienberichten wohl dem Gericht entziehen. "Es ist doch jedes Mal derselbe gleiche Trick", erklärte der Trotzkist Olivier Besancenot: "Zuerst wird alles verzögert - bis er schließlich zu alt ist und es heißt: Jetzt ist es zu spät."

Zu alt, Chirac? Das ließ sich der Altpräsident dann doch nicht bieten. "Sehe ich aus wie jemand, dem es nicht gut geht?", meinte er am Montag beim Verlassen seiner Pariser Wohnung voller Verve zu einer Journalistin. So hatten ihn die Franzosen immer gekannt - direkt, ohne Allüren und stets gut aufgelegt.

Auch seine Frau Bernadette Chirac erklärte unumwunden, ihr Mann sei immerhin 78 Jahre alt und leide zudem unter gewissen "Störungen", die vielleicht von einem leichten Schlaganfall 2005 herrührten - doch Alzheimer sei das mitnichten. "Er hat immer gesagt, dass er wie jeder andere Bürger behandelt werden will", meinte die ehemalige First Lady. "Und er sagte, dass er seinem Prozess beiwohnen wird."

Gewiss erinnern sich die Franzosen, dass Chirac schon viel gesagt hat - zum Beispiel, dass Wahlversprechen nur für jene gelten würden, die daran glaubten. Doch selbst solche Sprüche sehen ihm viele nach: Chirac steht in der Gunst der Nation; auch wenn alle Franzosen um die Winkelzüge ihres Ex-Präsidenten wissen, wünschen ihm die wenigsten eine Verurteilung. Selbst wenn es zum Prozess oder gar zu einem Urteil kommen sollte - Chirac wird für sie immer der Gleiche bleiben, eben der alte Jacques. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2011)