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Das Militär hat auch im Nationalmuseum in Kairo längst die Bewachung übernommen. In allen anderen Teilen des Landes werden die Kulturschätze ebenfalls gesichert. Doch wie viel kam abhanden?

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Neo-Minister Zahi Hawass gibt vorläufige Entwarnung.

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In Kairo sind die Schäden jedoch weniger schlimm als befürchtet.

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Wien/Kairo/Assuan - "Mein Herz ist gebrochen, mein Blut kocht", schrieb Zahi Hawass mit dem ihm eigenen Pathos am Sonntag in seinem Blog. Seit Montag ist der weltbekannte Archäologe neuer ägyptischer Minister für Altertümer. Und gleich in den ersten Stunden seiner Amtszeit hatte er alle Hände voll zu tun: Am Freitag hatten Plünderer - darunter Angehörige des Wachpersonals und Polizisten in Zivil - versucht, Kulturschätze aus dem Nationalmuseum in Kairo zu entwenden, und haben dabei etliche Gegenstände beschädigt.

Dreizehn Vitrinen wurden von den Tätern aufgebrochen, ihr Inhalt zum Teil zerschlagen. Die größten Schäden trug der Grabschatz des Pharao Tutanchamun davon: Zwei vergoldete Statuetten sind zerbrochen, eine ist verschwunden. Schmuckstücke sowie weitere Objekte aus dieser Abteilung sollen entwendet worden sein. "Allem Anschein nach konnte im Museum aber das Schlimmste verhindert werden", sagt Manfred Bietak, renommierter Emeritus-Professor für Ägyptologie an der Uni Wien und langjähriger Grabungsleiter in Ägypten.

Wertvolles wurde übersehen

Wie Zahi Hawass - für Bietak "der richtige Mann an der richtigen Stelle" - in seinem jüngsten Blog-Eintrag bilanzierte, wurden insgesamt 70 Objekte beschädigt. Zum Glück sei es im Museum dunkel gewesen und die Diebe hätten die wertvollen Dinge übersehen. Die beschädigten Kunstgegenstände könnten restauriert werden.

Dass sich die Schäden einigermaßen in Grenzen hielten, lag zum einen auch an der Ignoranz der Diebe, die sich bei ihren Plünderungen auf den neuen Souvenirshop konzentrierten, wie Hawass schreibt. Zum anderen schritt das Militär am Freitag relativ rasch ein und von da an für Ordnung sorgen. Und dann sorgten auch ganz normale Bürger für Schutz, indem sie das Museum umstellten.

Während die unersetzlichen Kulturschätze im Nationalmuseum vergleichsweise glimpflich davon gekommen sein dürften, gibt es aus anderen Orten widersprüchliche Meldungen. Laut Hawass stünden alle 24 Museen und wichtige archäologische Denkmäler (Luxor, Assuan, Sakkara und die Pyramiden von Gizeh) mittlerweile unter dem Schutz des Militärs und seien sicher. Das Tal der Könige ist für Touristen geöffnet.

Doch welche Schäden in den vergangenen Tagen am ägyptischen Weltkulturerbe angerichtet wurden, lässt sich noch nicht wirklich abschätzen. Memphis sei restlos geplündert worden, sagt Wafaa el Saddik, die bis 2010 Direktorin des Nationalmuseums in Kario war. Auch die Nekropole von Abusir, das Magazin des Port-Said-Museums auf der Sinai-Halbinsel und die Museen in Alexandria seien ausgeraubt worden.

In Kantara nahe des Suezkanals wiederum hatten Beduinen in der vergangenen Woche ein Lager für antike Kunstgegenstände geplündert. 288 Objekte wurden später jedoch wieder zurückgegeben, schreibt Hawass.

Wie aber geht es den Archäologen im Land? "Die Engländer und US-Amerikaner haben ihre Leute sofort ausgeflogen", erklärt Irene Forstner-Müller, die in der Nähe der südägyptischen Stadt Assuan die dortigen Grabungsaktivitäten des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) leitet. Das sei aber in erster Linie aus versicherungstechnischen Gründen geschehen.

Offiziell wurde auch den insgesamt sechs Mitarbeitern des ÖAI vom Wissenschaftsministerium empfohlen, das Land zu verlassen. "Die Angestellten können sich aber aussuchen, ob sie mit Sonderurlaub auf eigene Verantwortung bleiben", sagt Sabine Ladstätter, die Leiterin des ÖAI. "Denn das sind ja erwachsene Menschen, die wissen, was sie tun."

Forstner-Müller werde jedenfalls noch nicht zurückreisen. "Ich fühle mich sicher. Aber wir werden sicher auch nicht Helden spielen. Wenn es brenzlig werden sollte, werden wir natürlich sofort gehen und unser Leben nicht in Gefahr bringen."

Weniger schlimm als im Irak

Im Moment schaut es jedenfalls nicht so aus, als ob das Weltkulturerbe in Ägypten ähnlich leiden würde wie jenes im Irak, als während des Irakkriegs Bagdads Nationalmuseum und die Grabungsstätten von Babylon geplündert wurden. "Wir sind nicht wie Afghanistan", erklärte der neu gekürte Minister Hawass. Dort waren die Kulturschätze des Landes in einem jahrzehntelangen Krieg weitgehend zerstört worden. "Die Zivilisation wohnt den Ägyptern inne."

Bleibt zu hoffen, dass der Verantwortliche für den Schutz der antiken Schätze auch damit recht behält: "Wenn das Museum sicher ist, ist Ägypten sicher." (Klaus Taschwer/ DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2011)