Alessandro Farnese, der ehrgeizige Emporkömmling einer römischen Adelsfamilie, hat es bis zum Papst gebracht. Hier ein von Tizian gemaltes Porträt des Kirchenoberhaupts, das neben einem Dutzend anderer Originalgemälde derzeit im Palazzo Farnese in Rom zu sehen ist.

Foto: Museo di Capodimonte, Neapel

Anlass ist die partielle Zusammenführung der berühmten Sammlung des Adelsgeschlechts und seines bekanntesten Sprösslings Alessandro alias Papst Paul III.

Herkules steht am Scheideweg: Zur Linken der verführerisch leichte Weg des Lasters und der irdischen Freuden, von einer dürftig bekleideten Schönheit, Masken und Musikinstrumenten dargestellt; zur Rechten der steile, steinige Pfad hinauf zum Berg der Tugend, über Pegasus schwebend, der himmlisches Ergötzen verheißt. Das Wegweiser-Lehrstückchen malte Annibale Carracci für den jungen Odoardo, den Urgroßenkel von Alessandro Farnese. Kein Zweifel, dass der Knabe nach dem Vorbild des illustren Ahnen den rechten Weg wählen würde, hatte dieser es doch bis zum Papst gebracht.

Gemunkelt wurde, dass er dies vornehmlich seiner sündhaften schönen Schwester Giulia verdankte - die Mätresse von Borgia-Papst Alexander VI. habe dem ehrgeizigen Bruder den Weg mit allen Mitteln geebnet. Böse Stimmen wussten gar zu berichten, dass Alessandro aus just diesem Grund seine Schwester förmlich in die Arme des Heiligen Vaters getrieben habe. Eines ist gewiss: Der junge Emporkömmling vom Lande - die Farnese kamen aus Canino am Bolsenasee, nördlich von Rom gelegen - war fest entschlossen, seiner Familie zu Macht und Ruhm in der Ewigen Stadt zu verhelfen.

Vom Kardinaldiakon und Generalschatzmeister der Kirche, zu dem Alexander VI. ihn ernannte, war der Weg zum höchsten Amt nicht mehr weit. 1534 bestieg Alessandro den Heiligen Stuhl. Doch er wollte ungern das soeben von Giuliano da Sangallo eigens für ihn errichtete fürstliche Palais diesseits des Tibers verlassen. Er rief Michelangelo zu Hilfe. Dieser verwandelte den Palast zwar nicht in ein Gotteshaus, aber in eine wirkungsvolle Bühne für die Auftritte des Papstes, namentlich auf dem Balkon. Das zentrale Fenster wurde um einen Architrav erweitert. Ihn zierte das größte Wappen der päpstlichen Tiara, das Rom je gesehen hatte. Nichts jedoch verglichen mit dem, was die päpstliche Hofgesellschaft im Inneren erwartete. Unter den Arkaden des Innenhofs erhob sich die Crème de la Crème antiker Statuen: Der Farnesische Stier etwa ist die plastische Darstellung einer eher schauerlichen Szene, in der die Brüder Amphion und Zethos ihre Stiefmutter Dirke an einen Stier binden, um sie zu Tode schleifen zu lassen; der Koloss Herkules, lässig mit der Linken auf die Keule gestützt; die Göttinnen der Natur, Flora, und des heimischen Herdes, Lare, sowie der Farnesische Gladiator.

Untergang des Geschlechts

Die Statuen stammten größtenteils aus den Caracalla-Thermen, die unter Papst Paul III. entdeckt und ausgegraben wurden. Da der Farnese-Papst sich als ein bindendes Glied zwischen dem alten und dem neuen Rom verstand, als moderner Herkules, zögerte er nicht lange und ließ die Schätze der Thermen in den Palast schaffen.

Die derzeitige Wiederauferstehung der Farnese-Sammlung ist nur in Fotoreproduktionen zugänglich. Denn obwohl Alessandro alles daransetzte, das Farnese-Geschlecht vor dem Aussterben zu bewahren (inklusive der päpstlichen Legitimierung der Kinder, die er gezeugt hatte, ehe er das Keuschheitsgelübde ablegte), ging dieses doch unter beziehungsweise in die Dynastie der Bourbonen über. Die letzte Farnese-Erbin Elisabetta gab Philipp V. 1714 ihr Jawort, wenige Jahre später wanderte die Sammlung nach Neapel ab. Von dort sind aber immerhin mehrere Dutzend Werke nach Rom gereist, um im Piano Nobile des Palastes die Familiensaga in Erinnerung zu rufen. Hier begegnet der Besucher Paul III. im Bildnis von Tizian und darf sich fragen, wem der argwöhnische Blick des Papstes, die Zukunft ahnend, gilt: Elisabetta, im Porträt von Jean Ranc, oder ihrem Bourbonen-Sprössling Karl III. Auf des Papstes Interesse am irdischen Gut verweist das rote Samtsäcklein, das seine knochigen Hände halten.

Seine Begeisterung für antike Ideale sowohl der Schönheit als auch des Geistes und der Macht bezeugen atemberaubende Statuen wie die Venus Kallipygos - die Liebesgöttin mit dem schönen Hinterteil, die hockende Aphrodite mit Eros, Herrscherbüsten von Kaiser Hadrian und Marc Aurel und marmorne Philosophen-Köpfe.

Auch Papstenkel Odoardo zollte der Antike auf seine Weise Tribut, wenngleich durchaus Zweifel angebracht sind, welches der Ziele des Herkules'schen Scheidewegs ihm erstrebenswert schien. Den großen Saal im linken Flügel des eins päpstlichen Palastes dekorierten die Carracci-Brüder Annibale und Agostino auf Odoardos Geheiß nicht mit den Tugenden, sondern mit der Liebe der Götter. Bei aller Ehrfurcht für die "edle Einfalt und stille Größe" der Antike nahmen sich die Maler nicht eben wenig Freiheiten.

Ab ins Hochzeitsbett

An der Decke schwebt reine Sinneslust, die sich von göttlichen Sphären einen Weg in das irdene Reich bahnt. Den Triumph Bacchus' krönt die Vermählung mit einer Sterblichen: Ariadne scheint sich neben dem nackten Gott, der sie zum Hochzeitsbette führt, recht wohlzufühlen. (Eva Clausen aus Rom/ DER STANDARD, Printausgabe, 3.2.2011)