Eines ist der ÖVP jedenfalls gelungen: Tempo und Dynamik aus der Debatte rauszunehmen und der SPÖ die Themenführerschaft zumindest streitig zu machen. Die ÖVP hat sich in der Frage der Heeresreform zumindest eine Verschnaufpause verschafft. Aber mehr wird es nicht sein.

Das Bundesheer ist zwar etwas überraschend auf die Agenda der Regierung gerutscht, aber da es dort nun schon einmal ganz oben steht, gibt es keinen Grund, mit einer Reform noch länger zuzuwarten. Nicht nur die SPÖ will eine Entscheidung. Auch die Bevölkerung will es wissen - und ein Ende der Streiterei.

Sollten SPÖ und ÖVP aber nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen finden, wäre erst recht die Bevölkerung gefragt - und müsste entscheiden. Für eine der beiden Regierungsparteien würde das in jedem Fall eine empfindliche Niederlage bedeuten. Denn nach jetzigem Stand würde bei einer Volksbefragung über die Wehrpflicht entschieden werden. Eine Wahl, die man auch nach Parteizugehörigkeit treffen könnte: Die SPÖ ist für die Abschaffung, die ÖVP für die Beibehaltung.

Wie das ausgeht, traut sich mit Sicherheit keiner zu sagen. In den vergangenen Tagen mag es eine spürbare Mehrheit für die Abschaffung gegeben haben. Die ungeschickte Absetzung von Generalstabschef Edmund Entacher hat aber sicher auch zu einer Mobilisierung der Wehrpflicht-Befürworter beigetragen. Die ÖVP würde zwar ein hohes Risiko eingehen, rechnet sich aber auch Chancen aus, eine solche Abstimmung gewinnen zu können.

Natürlich wäre es für die Regierung peinlich, wenn sie sich nicht zusammenraufen könnte. Das erwartet man von einer großen Koalition: dass sie Entscheidungen trifft und Lösungen umsetzt. Aber was sind wir von dieser Koalition nicht schon alles gewohnt.

Nur: Muss denn wirklich immer alles Kompromiss sein?

SPÖ und ÖVP sind in der Frage der Wehrpflicht unterschiedlicher Ansicht. Das ist gut so und legitim. Die beiden Parteien haben beim Eintritt in die Koalitionsregierung ihre Ideologien nicht an der Garderobe abgegeben. Sie sollen dafür einstehen und ihre Konzepte argumentieren.

Es spricht viel für die Wehrpflicht - und viel dagegen. Das fängt bei der banalen Kostenfrage an: Die Darabos-Rechnung, wonach ein Freiwilligenheer exakt so viel kosten würde wie die derzeitige Wehrpflichtigenarmee, ist höchst umstritten. Andere Berechnungen gehen davon aus, dass ein Freiwilligenheer, das annähernd die gleichen Aufgaben erfüllen soll, bedeutend teurer wäre. Und lässt sich der Zivildienst tatsächlich gleichwertig und kostenneutral ersetzen?

Dann stellt sich die Frage der Effizienz: Die jetzige Truppe ist es nicht, das ist klar. Nach dem Darabos-Modell würden 25.000 Soldaten aber von 7000 Zivilbediensteten administriert werden - ein absurder Aufwand.

Schließlich: Sind sechs Monate beim Heer tatsächlich verlorene und vergeudete Lebenszeit? Oder lässt sich dort etwas an Erfahrung gewinnen und für das Leben lernen?

Anstelle des bisher kleinlich geführten Parteienhickhacks wäre es spannend, eine differenzierte und ausführliche Debatte über all diese Fragen zu führen und Antworten zu präsentieren. Die Parteien sollten in einen konstruktiven Wettstreit der Ideen und Konzepte treten und für ihre Überzeugung einstehen. Dann entscheiden die Bürger. Für die besseren Argumente. Und gegen einen faulen Kompromiss.(Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 2.2.2011)