Wegen der Mehrkosten durch die ab 1. Oktober vorgesehene Umsetzung bereiten österreichische Banken eine Verfassungsklage gegen die neue Wertpapier-Kapitalertragsteuer vor. Aber nach Meinung des Steuerexperten Roland Rief, Geschäftsführer von Ernst & Young in Wien, gehen die Probleme der Wertpapier-Kest über die Kostenfrage weit hinaus.

Rief äußert im Standard-Gespräch zwei massive Bedenken gegen die zu Jahresende im Budgetbegleitgesetz 2011 beschlossene Regelung, die sowohl die Anleger als auch österreichische Banken schwer trifft.

Wettbewerbsnachteil

Die Wertpapier-Kest von 25 Prozent wird von österreichischen Banken bei jeder "realisierten Wertsteigerung" gleich abgezogen. Verluste im gleichen Jahr können nicht gegengerechnet und erst in der Einkommensteuerveranlagung im Jahr darauf geltend gemacht werden.

Wer seine Wertpapiergeschäfte über eine Bank im Ausland abwickelt, dem wird hingegen keine Wertpapier-Kest abgezogen. Er muss zwar in seiner Steuererklärung im Folgejahr realisierte Gewinne angeben, kann aber Verluste gleich gegenrechnen. Daraus ergibt sich ein deutlicher Liquiditätsvorteil mit einem Zinsen sparenden Stundungseffekt.

"Ausländische Banken beginnen bereits, ihre Systeme und Kundenauswertungen anzupassen, um eine entsprechende Aufstellung der erzielten Wertpapiergewinne liefern zu können", sagt Rief. Das erspare dem Kunden den Aufwand, die steuerpflichtigen Einkünfte selbst zu ermitteln, und mache die Veranlagung in einer ausländischen Bank attraktiv.

Um diesen Wettbewerbsnachteil zu vermeiden, müsste der Gesetzgeber den Verlustausgleich durch die depotführende Bank schon jetzt zulassen, sagt Rief. Eine spätere Korrektur würde die Banken zu einer neuerlichen Reprogrammierung zwingen.

Nachteil bei Anleihenerwerb

Stückzinsen sind jene Zinsen, die bei der unterjährigen Anschaffung von Anleihen für die Zeit seit der letzten Kuponfälligkeit verrechnet werden. Sie werden dem Käufer angelastet und dem Verkäufer gutgeschrieben. Da beim Käufer der nächste Zinskupon zur Gänze der KESt unterliegt, erhielt er bisher beim Ankauf des Wertpapiers eine KESt-Gutschrift auf die von ihm bei der Anschaffung zu bezahlenden Stückzinsen. Damit wurden in seinen Händen nur die auf seine Besitzzeit entfallenden Wertpapierzinsen besteuert.

Im neuen System gelten die bezahlten Stückzinsen als Teil der Anschaffungskosten, die ebenfalls der Wertpapier-Kest unterliegen; eine Gutschrift unterbleibt. Die dadurch erhöhten Anschaffungskosten führen bei Verkauf oder Einlösung des Papiers wie ein Kursaufschlag zu einem Wertverlust. Dieser kann im Jahr der Veräußerung oder Tilgung mit Gewinnen aus anderen Wertpapieren und sogar mit Dividenden oder Anleihezinsen (nicht aber Zinsen aus Bankguthaben) verrechnet werden. Fehlen solche Kapitalerträge, dann verfällt der Verlust.

Die neue Behandlung der Stückzinsen bringt dem Finanzminister ein Körberlgeld, das nach manchen Schätzungen die Einnahmen aus der eigentlichen Wertpapier-Kest übertreffen wird. Deshalb werde sich das Verhalten von Privatanlegern verändern, ist Rief überzeugt. Anleihen würden in Zukunft meist kurz nach der Kuponfälligkeit erworben werden, um hohe Stückzinsen zu vermeiden. Und Anleger würden vorausplanen, um sicherzugehen, dass ihnen im Veräußerungs- oder Tilgungsjahr ausreichend hohe Kapitalerträge zufließen. (Eric Frey, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 2.2.2011)