Nach Ansicht von BZÖ-Kultursprecher Petzner ein Anstoß für einen "kritischen Diskurs"

Foto: Screenshot

Paris / Wien - Nachdem der türkische Actionfilm "Tal der Wölfe - Palästina" nach seinem Kinostart am internationalen Holocaustgedenktag (27. Jänner) zahlreiche kritische Stimmen in Deutschland und Österreich hervorgerufen hat, wendet sich das Simon-Wiesenthal-Zentrum mit einem Appell an die Regierungen beider Länder.

In einem Brief fordert Shimon Samuels, Direktor für internationale Angelegenheiten des Zentrums, Bundeskanzler Werner Faymann  und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel  zur Verurteilung des "Hass-Films" als "unmittelbare Bedrohung der moslemisch-jüdischen Beziehung" in den jeweiligen Ländern auf. In seinem Brief spricht Samuels von der "tendenziösen Propaganda" des Films und verglich diese mit "Film-Bigoterie aus der Nazi-Zeit wie 'Jud Süss'". "Tal der Wölfe - Palästina" leugne "den jüdischen Staat und das Recht auf Selbstverteidigung", während der Vorgänger, "Tal der Wölfe - Irak" (2006) den Juden Organhandel unterstellt habe. 

Der Schaden, der durch "Hass-Filme" wie diesen entstünde, solle durch Verurteilung und vor allem pädagogische Aufklärung in Grenzen gehalten werden. Samuels betonte, die in Deutschland und in Österreich lebende türkische Jugend "sollte über jüdische Beiträge zur Türkei seit dem 15. Jahrhundert und die Harmonie mit den muslimischen Nachbarn" lernen. Durch ein Aufklärungsprogramm in Deutschland, Österreich und europaweit wolle das Zentrum mit Hilfe der beiden Kanzler die "jüdisch-moslemischen Beziehungen verbessern". 

Kultusgemeinde kritisiert "lautes Schweigen" von Islam-Vertretern

In einer Aussendung am Donnerstag kritisierte Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), dass Kritik von einer Seite fehle, jener der "offiziellen Vertreter des Islams". Das "laute Schweigen" der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) sei "inakzeptabel". Für Muzicant ist der Kinostart am Holocaustgedenktag "eine weitere Provokation, die sich in eine Reihe stellen lässt mit den Hamas- und Hisbollah-Sympathiebekundungen (Fahnen) und den antisemitischen Transparenten bei den Demonstrationen 2010 in Wien".

Am 3. und 4. Juni 2010 hatten zwei "Anti Israel"-Demonstrationen anlässlich der israelischen Militäraktion gegen die Gaza-Hilfsflotte vom Mai 2010 aufgrund antisemitischer Botschaften zu einer Anzeige durch die IKG geführt. "Tal der Wölfe" benützt ebendiesen Angriff auf das türkische Hilfsschiff Mavi Marmara für seinen Inhalt. Muzicant sieht in der Zurückhaltung islamischer Vertreter rund um den Film einen weiteren Beweis, "dass die Islamische Glaubensgemeinschaft an keinem ehrlichen interkonfessionellen Dialog interessiert ist", anders als es bei "Vertretern des demokratischen Österreichs" oder "der muslimischen Zivilgesellschaft" der Fall sei.

Der türkische Streifen sei ein "von islamistischen Fundamentalisten aus der Türkei importiertes Machwerk, das zur Hetze dient und den Nahostkonflikt nach Österreich transportiert". Das sei "in aller Schärfe abzulehnen und zu bekämpfen", der Film solle daher nicht weiter gezeigt werden. Stattdessen bestehe laut Muzicant die Notwendigkeit, "endlich etwas gegen die Hetzer und Extremisten zu unternehmen". Bis dahin sehe sich die IKG "angesichts dieser Hetze gezwungen", Sicherheitsvorkehrungen für ihre Einrichtungen zu erhöhen.

Islamische Glaubensgemeinschaft: "Sind keine Zensurstelle"

Für die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) ist die Kritik  Muzicants "absurd". Die Glaubensgemeinschaft weise "die Gewalt der Worte, mit der die IKG krampfhaft versucht, die IGGiÖ in ein antisemitisches Eck zu stellen, aufs schärfste zurück", so IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh auf Anfrage. Schakfeh betonte, die IGGiÖ "war und ist immer offen für den Dialog und pflegt diesen intensiv". Die Demonstrationen seien nicht von ihr organisiert und der Dialog damals einseitig von der IKG aufgekündigt worden. Man stehe "nach wie vor für den religiösen Frieden in Österreich".

Betreffend des Films könne die IGGiÖ nicht verantwortlich gemacht werden, "genauso wenig habe sie irgendeine Art Einfluss auf das Datum" des Kinostarts. Man sei "keine Zensurstelle" und "habe weder die Autorität, noch die Befugnis eine Ausstrahlung zu verbieten". Die IGGiÖ lehne es "als österreichische Institution" ab, "für alles, was in der islamischen Welt passiert", verantwortlich gemacht zu werden. Sie sei "weder generalbevollmächtigte Botschaft der islamischen Welt, noch deren Vormund".

 Anzeige erstattet

Die IKG hat bereits bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige hinsichtlich des umstrittenen  Films erstattet. "Tal der Wölfe - Palästina" verherrliche "unter Verwendung antisemitischer Klischees, in hetzerischer Weise die Provokation seitens türkischer IHH Aktivisten und ist geeignet den religiösen Frieden in Österreich zu bedrohen", hieß es am Dienstag in einer IKG-Aussendung.

Der Film sei auf neonazistischen Webseiten sowie in islamistischen und linksradikalen Kreisen "wie auch seine Vorgänger, in denen unter Anspielung auf Ritualmordlegenden Juden Organhandel unterstellt wurde, eifrig beworben" worden. Während "Tal der Wölfe" in Deutschland auf einhellige Ablehnung gestoßen sei, "erfolgten in Österreich Verurteilungen lediglich von je einem Abgeordneten der Grünen und der SPÖ", kritisiert die Israelitische Kultusgemeinde.

BZÖ verteidigt "Tal der Wölfe"

Nach der Kritik an mangelnden Reaktionen aus Österreichs Politik meldete sich ÖVP-Kultursprecherin Silvia Fuhrmann am Dienstag zu Wort und warnte davor, "Filme mit rassistischem, antisemitischem oder verhetzerischem Inhalt in Österreich zu zeigen". In einer Aussendung heißt es, dass sie sich für den Film "der nach massiven Diskussionen und Protesten in Deutschland abgesetzt wurde und in den Kinos nicht gezeigt wird" auch ähnliche Maßnahmen in Österreich vorstellen könne.

Ganz anders die Reaktion Stefan Petzners. Der BZÖ-Kultursprecher sagte: "Wir sind als BZÖ gegen Zensurversuche im Bereich der Kunst und Kultur." Vielmehr solle der Film als Anstoß für einen "kritischen Diskurs" und eine "differenzierte Sicht der Geschehnisse im Nahen Osten" gesehen werden, so Petzner. Zugleich bekräftigte Petzner sein Vorhaben, sich persönlich im Kino ins "Tal der Wölfe" zu wagen: "Ich habe bereits 2006 'Tal der Wölfe - Irak' im Kino angesehen, als sehenswert empfunden, und werde mir daher sicher auch die jetzige Fortsetzung zu Gemüte führen."

In einer Aussendung vom Donnerstag reagierte  der BZÖ-Kultursprecher auf die von IKG-Präsident Muzicant und bezeichnete dessen Forderung nach einem Ausstrahlungsverbot als "eklatanten Angriff auf die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst in Österreich". Petzner bezweifelt die "Demokratiefähigkeit" Muzicants, schließlich lebe eine Demokratie "vom Diskurs und dem Austausch verschiedener Standpunkte", und "eine starke Demokratie muss auch die in diesem Film gezeigte andere Wahrheit aushalten". (red/APA, derStandard.at, 1./2./3.  Februar 2011)