Auch wenn einer kein Talent zum Fremdschämen hat, ist Österreicher zu sein oft peinlich genug. Das zu bestätigen, konnte sich "News" einfach nicht enthalten, obwohl die Lauda-Erregung schon wieder abgeklungen war, als das Magazin mit diesem Cover auf den Markt kam. Aber wenn ein durchgeistigtes Wesen wie Niki Nazionale wo auch immer einen Brosamen seiner Weisheit fallen lässt, gehört es zum Ehrenkodex des Boulevards, sich darum noch zu balgen, auch wenn die Fetzen bereits verflogen sind. Dabei hatte der Mann ohnehin erst kurz zuvor die Ehrfurcht grenzdebiler Fans auf sich gezogen: Eines der Top-Themen des Hahnenkamm-Wochenendes ist programmiert: Niki Laudas neuer Look. Statt des gewohnten roten Kapperls trägt Niki Nazionale plötzlich blau, zeigte sich "Österreich" im Hahnenkammfieber.

Aber als Rotkäppchen passé zu sein, genügte ihm nicht, er musste sich im "Kitz Racing Club" auch als Publikumsrat honoris causa betätigen. Lauda warf Wrabetz in einem sehr emotionalen persönlichen Gespräch, das offenbar alle Anwesenden mithörten, vor, den öffentlich-rechtlichen ORF zu "missbrauchen". Möge der öffentlich-rechtliche ORF niemals stärker missbraucht werden, denn: Niki Nazionale tobt über Haiders Tanz mit einem Mann. Wie "News" der Nachwelt zu überliefern sich gezwungen sah, ging das so: "Ich verlange, dass Sie, der Sie in einer aufrechten Ehe leben, die geplante schwule ,Dancing Stars'-Nummer stoppen und dem PR-geilen Alfons Haider" - der übrigens noch nie mit einem PR-geilen Kopfschmuck gesehen wurde - "nicht gestatten, in Ihrer öffentlich-rechtlichen Anstalt diese homosexuelle Show abzuziehen." "News" bewundernd: Bam Oida, das saß!

In diesem Zusammenhang erscheint besonders der Aspekt von Bedeutung, dass sich die Verpflichtung des ORF- Generaldirektors, in "seinem" Institut diese homosexuelle Show nicht zu gestatten, folgerichtig aus dem Umstand ergeben soll, dass er in einer aufrechten Ehe lebt. Ein Trauschein soll dazu verpflichten, Homosexuelle zu schurigeln - im Lande der selbsternannten Raucher-Sheriffs wäre das auch schon keine Überraschung mehr.

Dass Lauda den ihm von "News" verliehenen Titel eines ,Erklärers der Nation' zu Recht trägt, hatte er bereits zwei Tage zuvor, am Montag, in "Österreich" bewiesen, wo er seine wahren Motive offenlegte: Ihm ging es zunächst um kindliches Seelenheil. "Ich will nicht, dass meine Kinder im ORF sehen, dass ein Mann mit einem Mann tanzt - und dass sie glauben, das nachmachen zu müssen." Als böte nicht alles, was allein in den "Seitenblicken" antanzt, gefährlichere Anreize für Nachahmungstäter. Doch vor allem ging es ihm um die Befreiung Terpsichores aus den Fängen eines in aufrechter Ehe lebenden, dennoch von Quotengeilheit geplagten ORF-Generaldirektors: Er sei empört, dass sich der öffentlich-rechtliche ORF, der ja von unser aller Gebühren finanziert wird - und auch nichts zu verschenken hat -, aus reiner Quotengeilheit dafür hergibt, schwules Tanzen zu propagieren. Es gibt so etwas wie eine gute Tradition in unserer Kultur - dazu gehört, dass Männer mit Frauen tanzen. Und um die reine Quotengeilheit als gräulich unrein zu entlarven, schob er eine apokalyptische Vision nach: Bald kommt die Zeit, da werden wir uns noch alle öffentlich dafür entschuldigen, dass wir Heterosexuelle sind. Die Entschuldigung wurde freudig angenommen.

Und zwar noch ehe diese Zeit gekommen war, und, klar, von Michael Jeannée in der "Krone". Als ich davon Wind bekam, hab ich natürlich flugs zum Telefon gegriffen, Dich angerufen und erfahren, dass alles genauso gesagt worden ist. Und Du nichts zurücknimmst. Und als Du dann von mir wissen wolltest, wie ich über die schwule Haider-Causa denke, hab ich aus meinem heterosexuellen Herzen keine Mördergrube gemacht und Dir geantwortet: "Besser und punktgenauer, lieber mutiger Niki, hätt ich zu dem widerwärtigen Thema auch nicht formulieren können" - und Jeannée ist für seine widerwärtigen Formulierungen berüchtigt.

Da schlugen zwei heterosexuelle Herzen im alpenländischen Dreivierteltakt, enger aneinandergeschmiegt als es Alfons Haider mit wem auch immer könnte. Aber die Idylle hielt nicht lange. Als die Frage auftauchte "Dürfen Schwule mit Flyniki fliegen? meldete "Österreich" Donnerstag: Jetzt rudert Niki Nazionale zurück. Und Niki: Ich habe und hatte Zeit meines Lebens keine Vorurteile gegen Homosexuelle. Jeannée wird gekränkt sein. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.1.2011)