Auch der oberirdische Teil der Schnellbahnstation Südbahnhof zeigt nichts von einer Service-Offensive im Öffi-Verkehr.

Foto: DER STANDARD/Matthias Cremer

Wien - Montagmorgens ist ein dicker Zeitpolster Gold wert. Wer bei der - seit dem Abriss des Südbahnhofs in den Schweizergarten verpflanzten - Schnellbahnstation "Südbahnhof (S-Bahn)" eine Fahrkarte lösen will, hat realistische Chancen, den gewünschten Zug zu verpassen.

Denn die unterirdische Haltestelle, täglich von hunderten Pendlern aus Niederösterreich und dem Burgenland frequentiert (von der Ostbahn kommend), ist dem Fahrkartenbedarf der Kundschaft zu Stoßzeiten kaum gewachsen. Dafür sorgen zwei Ticketautomaten (einer pro Fahrtrichtung), vor denen Schlangenbildung quasi obligatorisch ist, wenn Wochen- und Monatskarten zur Erneuerung anstehen.

Zugauswahl als Lotterie

Wiewohl wichtiger Zubringer für den Südbahnhof-Ersatz Wien- Meidling, gibt es an der provisorisch eingerichteten Haltestelle weder Fahrkartenschalter noch Terminals, an denen Details zu Fahrplan und Zügen abgerufen werden können. Die vorhandenen elektronischen Abfahrts- und Ankunftstafeln wiederum geben keinerlei Auskunft darüber, wie lang ein Zug bis zu seinem Ziel unterwegs ist. Nach Wiener Neustadt können das mehr als eine Stunde und 20 Minuten sein, oder aber nur 40 Minuten. Scheint auch noch die Sonne, sind die gen Südwesten gerichteten blitzblauen Anzeigetafeln kaum lesbar, was die Wahl des Zugs zu einer Art Lotterie macht.

Wer von den zahlreichen in Schaukästen plakatierten Papierfahrplänen Auskünfte über Züge Richtung Niederösterreich erhofft, wird enttäuscht. Denn mit dem Winterfahrplan sind die meisten Fahrziele jenseits der Wiener Stadtgrenze verschwunden - und mit ihnen Angaben über die "Wiesel"-Züge. Diese flotten Regionalzüge, die Wien von Bernhardsthal im Nordosten kommend stündlich auf der Schnellbahnstrecke Richtung Payerbach-Reichenau durchqueren, sind wohl relativ gut frequentiert, dem ÖBB-Personenverkehr offensichtlich aber nicht mehr wichtig, seit die Staatsbahn ihre Nebenbahnen an Niederösterreich abgeben hat.

Dass kunstvoll aufgetürmter Schnee, der über die Wochen zu kniehohen Eisbergen gefroren war, den Blick auf die endlosen Zahlenreihen zusätzlich erschwerte, darf als weiterer Qualitätsausweis der mit gut einer halben Milliarde Euro für Nah- und Regionalverkehr subventionierten ÖBB gelten.

Dort bestreitet man die Unzulänglichkeiten der Rohbeton-Station übrigens gar nicht. Der Südbahnhof sei als Quelle des Unmuts identifiziert. "Bohren Sie nicht in meinen Wunden", sagt ein hochrangiger ÖBB-Manager, der Besserung in Aussicht stellt.

Kooperation zulasten der Fahrgäste oder Zufall: Stiefmütterlich behandelt wird der Kreuzungspunkt der S-Bahn mit den Straßenbahnlinien D, 18 und O am Wiedner Gürtel auch von den Wiener Linien. Die städtische Verkehrsgesellschaft hat ihre elektronischen Displays für Ankunftszeiten der Bim nach dem Abriss des Südbahnhofs prompt abmontiert. Vielleicht kommt Fahrgästen die gefühlte Ewigkeit beim Warten nun ein wenig kürzer vor. (Luise Ungerboeck/DER STANDARD, Printausgabe, 29./30. Jänner 2011)