Die gute Nachricht zuerst: Österreich, medienpolitisch oft Schlusslicht Europas, hat nach acht Jahren ohne Selbstkontrolle wie Tadschikistan, Kirgistan und Aserbeidschan wieder zu demokratischen Standards aufgeschlossen: Wien hat einen Presserat.

Österreichs Selbstkontrolle ist deutschen Kollegen gar Vorbild: Erst versuchen hier Ombudsleute, Konflikte zwischen Blättern und Beschriebenen zu regeln, bevor ein Senat entscheidet, ob Medien den Ehrenkodex verletzten.

Mehr Regeln aber beäugen hiesige wie Presseräte anderswo skeptisch, ebenso andere Journalisten und Verfassungsrechtler. Dass eine Beschwerde gegen ein Lokalblatt einen halben Tag verhandelt wird wie ein Gerichtskrimi, wird sich einspielen. An seinem Sinn lässt zweifeln, dass der Presserat sein Urteil jenen Medien nur vertraulich flüstern darf, die ihn nicht anerkennen: Gerade an U-Bahn-Stationen erreicht der Boulevard auch unterirdisches Niveau.

Rasch sollte sich der Presserat auch Insiderregeln für Wirtschaftsjournalisten widmen, erinnert der Verein der Chefredakteure - auch hier empfiehlt sich Selbstkontrolle vor staatlichem Zugriff auf Redaktionen.

Kann sich Selbstkontrolle 2011 im Web auf Onlineseiten von Printmedien beschränken? Wäre freiwillige Selbstkontrolle nicht auch ein Thema für Radio und Fernsehen, insbesondere das kommerzielle? Gut, dass der Rat wieder da ist. Jetzt könnte er sich noch besser neu erfinden. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 27.1.2011)