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Die Demonstranten in Suez versuchten sich Zugang zu einem Spital zu verschaffen, in dem der Leichnam Gharib Abdelaziz Abdellatifs aufbewahrt wurde. Der 45-Jährige war am Mittwoch einem Bauchschuss erlegen, den ihm ein Polizist zugefügt hatte.

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Die Polizei schlug die Proteste brutal nieder

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Auch am Mittwoch gingen wieder Tausende Ägypter auf die Straße

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Kreativer Protest in Kairo: Jugendliche Demonstranten verwenden umgekippte Polizisten- Unterstände als mobile Barrikaden.

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"Warnung" - titelte in riesigen Lettern die wichtigste unabhängige Tageszeitung am Morgen nach dem "Tag des Zorns" . Über 50.000 Menschen waren im ganzen Land auf den Straßen gewesen, hatten die Organisatoren zusammengerechnet. Niemand hatte diesen riesigen Aufmarsch erwartet. Die Einschüchterungsversuche der Regierung hatten nicht gewirkt.

Und es nützte auch nichts, dass das Innenministerium für Mittwoch alle Demontrationen untersagte. Die Bewegung des 6. April, die die Proteste des Vortags lanciert hatte, rief zu weiteren Manifestationen im Stadtzentrum Kairos auf. Um die Organisationsmöglichkeiten einzuschränken, wurden Twitter und zeitweise auch Facebook und das Mobiltelefonnetz blockiert.

Die Sicherheitskräfte besetzten mit Heerscharen von Polizisten die neuralgischen Punkte der Hauptstadt. Das Verbot wurde an mehreren Orten missachtet, und es kam erneut zu Auseinandersetzungen. Die zerstreuten Demonstranten sammelten sich immer wieder. In Kairo zirkulierte das Gerücht, Präsidentensohn Gamal Mubarak habe das Land verlassen. Das wurde von den Behörden dementiert, deren Nervosität sich jedoch daran ablesen lässt, dass der ägyptische Handelsminister Rashid Mohamed Rashid seinen Besuch des Weltwirtschaftsforums in Davos absagte.

Gummigeschoße, Knüppel

Ein Demonstrant und ein Polizist wurden bei Zusammenstößen im Zentrum der Hauptstadt Kairo getötet. In Suez, wo am Dienstag drei Demonstranten durch Gummigeschoße getötet worden waren, setzte die wütende Menge am Mittwoch ein Regierungsgebäude in Brand und versuchte ein Büro der Regimepartei anzuzünden. Bisher wurden mindestens 500 Menschen festgenommen. Polizisten feuerten Augenzeugen zufolge mit Gummigeschoßen in die Menge und schlugen mit Gummiknüppeln zu.

Proteste in diesem Ausmaß hat es in Ägypten seit den Brotunruhen 1977 nicht mehr gegeben. Die erste Reaktion der Sicherheitskräfte war am Dienstag überraschend moderat ausgefallen. Stundenlang konnte sich der Demonstrationszug durch die Straßen der Nilmetropole bewegen, während sich die Polizei damit begnügte, den Verkehr zu regeln. Aber bald war das alte repressive Muster wieder da. Nach einigen Stunden änderte die Polizei ihre Taktik und setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Damit kippte auch die Stimmung unter den Teilnehmern, und es folgten die ersten Steine.

Auffällig ist die große Sympathie für die Demonstranten in der übrigen Bevölkerung. Autofahrer hupten, Passanten nickten beifällig, und viele Schaulustige standen auf den Balkonen. Wer zu Hause blieb, verfolgte das Geschehen im Fernsehen. Deshalb können auch die Organisatoren der Proteste davon ausgehen, dass der Großteil der Bevölkerung hinter ihren Anliegen steht. Die Masse der Teilnehmer besteht nicht aus politischen Aktivisten, sondern aus ganz "normalen" Ägyptern, die ihrem Ärger mit Parolen wie "Mubarak raus" und "Freiheit, Freiheit" Luft machen.

Während die unabhängigen Zeitungen ausführlich über die Proteste berichteten und von einem Vulkan des Zornes sprachen, versuchten die regierungsnahen Blätter die Ereignisse kleinzureden. Al-Akhbar schrieb etwa, dass es an verschiedenen Orten Demonstrationen gegeben habe, während es in der Mehrheit der 29 Gouvernements ruhig geblieben sei. Die Regierungspartei NDP hat ihre Parteisekretäre im ganzen Land angewiesen, auf die Straßen hinauszugehen und die Menschen zu beruhigen.

ElBaradei kehrt zurück

Der frühere Chef der Atomenergiebehörde in Wien und nunmehrige ägyptische Oppositionspolitiker Mohamed ElBaradei, der von vielen Ägyptern als demokratische Alternative gesehen wird, informierte den Standard darüber, dass er heute, Donnerstag, nach Ägypten zurückkehrt. ElBaradei hat das System in Ägypten immer wieder lautstark kritisiert.

"Chance für Regierung"

Aus dem Protest haben Demonstranten und Oppositionspolitiker nach tunesischem Vorbild zwei Hauptforderungen abgeleitet: Sie verlangen die Auflösung des Parlaments, dessen Neuwahl Ende des letzten Jahres von massivem Wahlbetrug begleitet war. Die zweite Forderung verlangt die Bildung einer "Regierung der nationalen Rettung" aller relevanten politischen Kräfte. Die USA haben das Regime offen zu Reformen aufgerufen. "Wir sind fest davon überzeugt, dass die ägyptische Regierung jetzt die große Chance hat, politische, wirtschaftliche und soziale Reformen einzuleiten, um auf die legitimen Bedürfnisse des ägyptischen Volkes zu reagieren" , sagte Außenministerin Hillary Clinton.  (Astrid Frefel aus Kairo/DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2011)