Das Weltwirtschaftsforum in Davos ist immer ein Stimmungstest: Während in den vergangenen zwei Jahren das Treffen von Unsicherheit über die weitere Konjunkturentwicklung beherrscht war, überwiegen heuer die positiven Einschätzungen beim Treffen von rund 1400 Unternehmenschefs in den Schweizer Bergen. "Asien ist die Wachstumslokomotive" , sagte Min Zhu, Spezialberater des Internationalen Währungsfonds, bei einer Auftaktveranstaltung am Mittwoch. Es widersprach auch niemand, als er darauf hinwies, dass es "eine enorme Machtverschiebung in Richtung Schwellenländer" gebe. Von Osteuropa, das in den vergangenen Jahren im Fokus stand, war heuer fast keine Rede.

China und Indien sind mit ihren bisher größten Delegationen nach Davos angereist. Die Wirtschaftsentwicklung in den so genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) stand im Mittelpunkt aller Gespräche.

Russlands Präsident Dmitri Medwedew, der heuer die Eröffnungsrede in Davos hielt, sprach davon, dass die BRICS - er fügte Südafrika ergänzend hinzu - "eine richtige Organisation" werden sollten. Er forderte den Internationalen Währungsfonds (IWF) auf, die Währungen dieser Staaten in Sonderziehungsrechte des IWF einzubeziehen.

Medwedew warb mit einem Zehn-Punkte-Programm um Investoren für sein Land und versicherte, dass keine neuen Steuern eingeführt werden. Offensiv sprach er das Thema Korruption und Rechtsstaat an. Es gebe "in der Tat viele Schwierigkeiten beim Aufbau eines modernen Rechtsstaates" . Er kündigte die Einführung von "Anti-Korruptionsbeamten" und weitere Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption im Justizbereich an. "Ich habe keine Illusionen, dass wir alles in einem oder zwei Jahren schaffen werden. Aber wir haben die Arbeit in Angriff genommen." Wiederholt nannte der russische Präsident Terrorismus als größte Gefahr und sprach sich für die Freiheit des Internets aus.

Positiv äußerte sich Medwedew über die Rede von US-Präsident Barack Obama zur Lage der Nation. Die Ankündigung, die Ausgaben zu deckeln und das Defizit binnen zehn Jahren um 400 Mrd. Dollar zu reduzieren, nannte Medwedew "eine bemerkenswerte Maßnahme" .

US-Ökonom Nouriel Roubini hatte zuvor skeptisch reagiert: "Selbst das geht nicht in die Richtung einer wirklich ernsthaften Defizitreduzierung" , sagte der Wirtschaftsprofessor. "Die Rede Obamas hat nicht dazu beigetragen, Unsicherheiten bei Firmen über die weitere Entwicklung aufzulösen" , meinte Martin Sorrell, Vorstandsvorsitzender von WPP, dem weltweit größten Werbeunternehmen.

Bundeskanzler Werner Faymann hat heute, Donnerstag, einen Auftritt in Davos. Außenminister Michael Spindelegger ist bei einer Diskussion am Freitag. Vizekanzler Josef Pröll sagte wegen Fiebers ab. (Alexandra Föderl-Schmid aus Davos, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.1.2011)