"Wünsch-dir-was" bei den Wiener Linien: Einer kleinen Gruppe von JournalistInnen wurde ein Kindheitstraum erfüllt - einmal mit einer Straßenbahn fahren. Die gut gemeinten Tipps der KollegInnen noch im Ohr ("Den Schaden zahlt die Versicherung nicht!"), startet die Fahrt mit einem ULF ("Ultra Low Floor") in der Remise Simmering.

Foto: derStandard.at/Julia Schilly

Überraschung: Die TestfahrerInnen werden nicht auf eine abgeschiedene Route verbannt, sondern auf die Simmeringer Hauptstraße gelassen - natürlich unter dem wachsamen Blick eines Fahrlehrers. Das Prinzip ist simpel. Schalthebel nach vorne gedrückt: Fahren -  nach hinten ziehen: Bremsen.

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Eine Schicht dauert neun Stunden, es werden höchstens vier Stunden durchgefahren, dann gibt es eine Pause. Es gilt die ganze Zeit höchste Konzentration zu bewahren und mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen. Denn schon bei einer mutwilligen Notbremsung bei vorsichtig schleichenden 15 Kilometer pro Stunde bekommt man ein Gefühl, wie träge die 45 Tonnen schwere Niederflur-Straßenbahn ist.

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Die "Erkrankung eines Fahrgastes" kennt man ja aus den U-Bahn-Durchsagen. Was passiert eigentlich, wenn ein Fahrer "erkrankt"? Wiener Linien-Chefinstruktor Thomas Linsmeier erklärt: "Deshalb gibt es die 'Totmann-Einrichtung'. Ein Knopf am Steuerhebel muss während der Fahrt gedrückt bleiben. Falls der Fahrer aus irgendeinem Grund den Knopf loslässt, ertönt ein Signal und gleich darauf bremst das Fahrzeug automatisch ab." Doch es ist gar nicht so einfach, den "Tot-Mann-Knopf" die ganze Zeit gedrückt zu halten. Nach einer 15-minütigen Fahrt verkrampft sich schon die ungeübte Journalistinnenhand.

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Intern werden die StraßenbahnfahrerInnen "Gleisböhmen" (im Dialekt "Gleisbehm") genannt: eine Anspielung auf die Arbeiterschaft Wiens des 19. Jahrhunderts.

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Die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs beträgt 60 Kilometer pro Stunde. Wenn das Rad eines ULFs in einer Kurve einlenkt, verringert sich die Geschwindigkeit aus Gründen der Sicherheit auf 17 Kilometer pro Stunde. Für die Mitarbeiter gilt während ihrer Schicht eine Null-Toleranzgrenze von 0,0 Promille. Zudem wird regelmäßig evaluiert, wie "materialschonend" die FahrerInnen unterwegs sind und bei Bedarf nachgeschult.

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Die Notbremse im Wagen, die im Notfall von den Fahrgästen gezogen werden kann, bremst übrigens weicher als die des Fahrers. "Damit uns nicht alle Fahrgäste an der Scheibe picken", sagt Linsmeier. Es komme täglich vor, dass unabsichtlich Notbremsen gezogen werden, berichtet er: "Die Leute verwechseln die Bremsen schon mal mit Haltegriffen."

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Die häufigste Unfallursache sind laut Linsmeier Kollisionen mit Autos: "Die Pkw-Fahrer schauen nicht, missachten den Vorrang oder glauben, die Bim kann sowieso stehen bleiben."

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Nach dem Treffen mit den "Gleisböhmen" warten schon die "Isolierten". Das hat nichts mit Mobbing zu tun: Den Spitznamen haben die BusfahrerInnen von ihren KollegInnen bekommen, da sie auf Gummirädern unterwegs sind.

Die U-Bahn-FahrerInnen hören übrigens auf ein charmantes "Grufti", da sie großteils unterirdisch unterwegs sind. Konkurrenz gebe es untereinander aber keine, sagt Linsmeier: "Das ist nur Neckerei aus Spaß. Jeder weiß, wie anstrengend es ist, eine Neun-Stunden-Schicht zu fahren - egal in welchem Öffi."

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So viel Aufmerksamkeit wird Ausbilder Manfred Hrbek beim Manövrieren des 12 Meter langen, inklusive Spiegel drei Meter breiten und 12 Tonnen schweren Fahrzeugs wohl selten zuteil. Jeder Busfahrer fährt als Minimum sieben bis acht Strecken, für jede gilt eine eigene Höchstgeschwindigkeit.

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Wir bleiben für das Busfahren auf dem Gelände der Simmeringer Zentralwerkstätte, denn für AutofahrerInnen ist es schwierig, den Abstand zu Gehsteig und anderen Fahrzeugen abzuschätzen.

Für das große Gefährt sind während der Fahrt einige Sicherheitsmaßnahmen notwendig, erklärt Hrbek: Alle drei bis vier Sekunden muss in beide Rückspiegel ein Blick geworfen werden. Der Rückwärtsgang startet nicht automatisch, sondern muss nach dem Einlegen noch einmal bestätigt werden.

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Auch in den Stationen wird eine "Haltestellen-Bremse" aktiviert. Das schützt vor ungewolltem Losrollen. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit für Busse beträgt 50 Kilometer pro Stunde, bei Überschreiten leuchtet ein rotes Warnlicht auf. Die Wiener Busfahrer sind aber sowieso keine Raser. Laut Wiener Linien sind die Busse durchschnittlich mit 23 Kilometer pro Stunde unterwegs und es mussten in den vergangenen Jahren nur eine Handvoll Strafzettel vergeben werden.

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Derzeit gibt es bei den Wiener Linien rund 3.200 FahrerInnen - erst zehn Prozent davon sind Frauen. Die Verteilung sieht so aus: 1400 Personen fahren Straßenbahn, 1300 Bus und 500 U-Bahn. (Julia Schilly, derStandard.at, 1.2.2011)

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