Standard: Verteidigungsminister Norbert Darabos steht rund um die Wehrpflicht schwer unter Beschuss. Ein Vorteil für die Opposition, wen sich eine Regierungspartei quasi in Eigenregie mit Problemen überhäuft?
Glawischnig: Freuen tut mich dieses Chaos natürlich nicht. Das Ziel wäre eine vernünftige Reform, und das wird jetzt eher erschwert als erleichtert. Es ist zwar jetzt nicht die Landesverteidigung in Gefahr, aber es ist offensichtlich, dass Darabos mit der Führung des Ressorts und der Vorbereitung der Reform völlig überfordert ist. Ein Führungsversagen auf sehr hohem Niveau, Darabos ist eindeutig rücktrittsreif.
Standard: Sie plädieren dafür, umgehend Rekrutierungen einzustellen. Sind Sie so sicher, dass die Wehrpflicht fällt?
Glawischnig: Früher oder später wird die Wehrpflicht fallen. Und deshalb ist es derzeit für junge Männer eine schwierige Situation - kommen sie noch dran oder eben nicht. Sinnvoll wäre es daher, die Stellung auszusetzen, bis die Reform auf dem Tisch liegt und dann ein neues Modell in Kraft tritt.
Standard: Die Grünen haben jetzt mit der "Reformagenda 2013" ambitioniert die nächste Nationalratswahl ins Auge gefasst. Ruhig ist es hingegen rund um die groß angekündigte Parteireform geworden. Wo steht man da?
Glawischnig: Wir haben eben in Ruhe gearbeitet. Unsere Reform steht vor dem Abschluss, und es wird noch im heurigen Jahr einen Bundeskongress geben, wo dann einige der Reformschritte mit einer Statutenänderung beschlossen werden.
Standard: Was wird sich konkret ändern?
Glawischnig: Es geht vor allem um strukturelle Änderungen. Etwa sehr viel mehr Kooperation zwischen der Bundespartei und den Ortsgruppen und eine verstärkte Einbindung der Länder bei der Strategiefindung. Und die personelle Neuaufstellung ist weitgehend abgeschlossen. Damit ist das Ding auch schon so gut wie fertig.
Standard: Die Basisdemokratie wird aber nicht Opfer der Strukturreform, oder?
Glawischnig: Nein. Das Einzige, was für mich diskussionswürdig ist, ist die Frage der Vertrauensabstimmung. Darüber werden wir sicher auch intern noch diskutieren. Das Rotationsprinzip - also immer eine höhere Hürde, dass man überhaupt für ein Mandat antreten darf - kann man durchaus hinterfragen.
Standard: Jetzt sitzen zwar die "Aufdecker" in den eigenen Reihen - Stichwort Buwog-Affäre -, und doch hat man das Gefühl, die Grünen können diese Erfolge nicht für sich als Partei verbuchen. Verkauft man sich schlecht?
Glawischnig: Es stimmt, dass diese Verdienste sehr stark Einzelpersonen zugerechnet werden - Gabi Moser, Peter Pilz. Die Grünen haben aber hier so etwas wie die Rolle der Justiz übernommen. Ohne Gabi Moser wären wir bei der Aufklärung des Grasser-Netzwerks noch ein ganzes Stück hinten.
Standard: Gewählt wird aber letztlich nicht eine Einzelperson, sondern die Partei ...
Glawischnig: ... und die ist derzeit ordentlich im Aufwind - wir liegen laut der letzten Sonntagsumfrage bei 15 Prozent. Und als Partei setzen wir starke, grüne Akzente. Wir haben zum Beispiel einen neuen Vorschlag für zusätzliche Steuereinnahmen.
Standard: Woran denken Sie da?
Glawischnig: Ein Problem sind die steigenden Zulassungen bei sehr großen, leistungsstarken Autos. Es braucht eine Neuregelung der Nova. Derzeit wird alles, was mehr als zehn Liter verbraucht, in keiner Weise stärker zur Kasse gebeten. Es braucht eine Reform des Bonus-Malus-Systems: Einen Bonus für die Niedrigverbraucher, und die Groß-SUVs wirklich progressiv nach oben besteuern. Wir reden hier dann von steuerlichen Mehreinnahmen von rund 200 Millionen Euro.
Standard: Die oberösterreichischen Grünen planen erstmals eine eigene Kundgebung am 1. Mai. Entdecken die Grünen jetzt die Arbeiterschicht?
Glawischnig: Das ist kein taktisches Kalkül, sondern eher eine sachliche Notwendigkeit. Es braucht einen Fokus auf neue, zukunftssichere Berufe - Green Jobs. Daher ist dieser Mai-Kongress in Oberösterreich ein Symbol.
Standard: Nicht das Kalkül, dass man jetzt mit grünen Mai-Aufmärschen versucht, die zu beobachtende Abwanderung von SPÖ-Wählern aus der Arbeiterschicht hin zur FPÖ abzufangen?
Glawischnig: Es ist für uns eine sehr wichtige Personengruppe, die unsere Unterstützung braucht und auch kriegen wird.
Standard: Ist das Programm der Grünen nicht zu elitär für die klassische Arbeiterschicht?
Glawischnig: Was soll daran elitär sein, wenn man auf kommende Generationen schaut, auf Verteilungsgerechtigkeit? Das war für uns immer schon Parteiprogramm. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2011)