"Hat man bis jetzt schon die Tür verschlossen und die Zugbrücke hinaufgezogen, so baut man jetzt noch einen Burggraben rund um Österreich", so vergleicht Angela Magenheimer vom Verein Ehe ohne Grenzen die Gesetzesänderungen zur Umsetzung des "Nationalen Aktionsplans für Integration".

Mit Juli 2011 sollen MigrantInnen aus Drittstaaten (nicht aber aus EU-Staaten) schon vor dem Zuzug nach Österreich ein Deutschdiplom auf A1-Niveau nachweisen. Das entspricht den Grundkenntnissen der deutschen Sprache. Innerhalb von zwei Jahren muss schließlich das A2-Niveau gemacht werden, also Deutsch auf dem Niveau der vierten Klasse AHS. Für eine Refundierung von 50 Prozent der Kurskosten müsste man den Test aber innerhalb von einem Jahr positiv absolvieren. Will ein Zuwanderer einen dauerhaften Aufenthaltstitel und die österreichische Staatsbürgerschaft, muss die B1-Stufe erreicht werden, was Deutschkenntnissen auf Maturaniveau für Fremdsprachen entspricht, so ExpertInnen des Netzwerks SprachenRechte bei einer Pressekonferenz. Hierfür würden aber keine Kosten mehr erstattet werden.

Heftige Kritik

Das Netzwerk kritisiert diese Neuerungen heftig. Juristin Dunja Bogdanovic spricht von "einer der einschneidendsten Novellen des Fremdenrechtsgesetzes" und macht vor allem darauf aufmerksam, dass die geforderten Deutschkurse vor Zuzug nicht in jedem Land gleich absolviert werden können. "Es macht einen Unterschied, ob man aus New York, Sarajevo oder einem Krisengebiet stammt." 

Auch Magenheimer hakt hier ein und zeigt auf, dass Personen aus Afrika zuvor eine Binnenmigration vollziehen müssten, um die Voraussetzungen überhaupt zu erfüllen: "In manchen afrikanischen Staaten werden die Deutschkurse gar nicht angeboten, was viele Leute zwingt, in ein anderes Land auszuwandern."

Hohe Kosten

Auch die Kosten seien für viele zu hoch. "In Tunesien etwa kostet ein Deutschkurs 500 Dinar - bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 100 bis 400 Dinar", sagt Magenheimer. Aber nicht nur die Kurse im Ausland sind den ExpertInnen ein Dorn im Auge, sondern auch die Bildungsmaßnahmen im Inland.

Mario Rieder, Geschäftsführer der Wiener Volkshochschulen, sagt, dass die Arbeit der Bildungseinrichtungen "seit 2003 durch Gesetzesänderungen kontinuierlich erschwert wird". Für viele Personen sei es aufgrund ihrer persönlichen Umstände, wie Berufstätigkeit oder Lerngeschichte, bis dato bereits unmöglich gewesen, A2 innerhalb der vorgegebenen fünf Jahre zu erreichen. "Und wie reagiert man darauf? Man verkürzt die Zeit noch einmal und führt außerdem mit B1 ein noch höheres Niveau ein", beschwert sich Rieder. Das höhere Niveau sei laut Magenheimer nicht gerechtfertigt: "Wenn ein Zuwanderer auf dem Bau arbeitet, dann sprechen nicht einmal seine österreichischen Kollegen Deutsch, sondern meistens Dialekt."

Diskrepanz zu Familienzusammenführung

Bogdanovic sieht in der Fremdenrechtsnovellierung außerdem eine Diskrepanz zu Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser Artikel bezeichnet die Familienzusammenführung. Laut Bogdanovic seien nicht nur ausreichende Sprachkenntnis, sondern auch ein funktionierendes soziales Umfeld, zu dem auch die Familie gehöre, wichtig für eine gute Integration.

Die ExpertInnen sehen auch eine Diskriminierung von Drittstaatenangehörigen gegenüber EU-Mitgliedern. "Der Anteil der Migration aus Drittstaaten beträgt nur ein Drittel aller Zuwanderungen", sagt Rudolf de Cillia, Sprachwissenschaftler an der Uni Wien. Er bemängelt weiter, dass bei der geplanten "Rot-Weiß-Rot-Card" zwar Englisch und Deutsch als Zusatzqualifikationen gelten, andere Sprachen aber nicht. "Dabei benötigt man in Österreich qualifizierte Leute, die Bosnisch, Serbisch oder Türkisch können. Vor allem im öffentlichen Dienst und in der Exekutive."

Auch Expertenrat unter Beschuss

Im Zuge der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Integration, wurde mit 12. Jänner auch ein Expertenrat eingesetzt. Auch Hans-Jürgen Krumm vom Netzwerk SprachenRechte und Experte für Deutsch als Fremdsprache, wurde eingeladen, in diesem Rat Platz zu nehmen. "Ich habe mich aber gegen eine Teilnahme entschieden, weil die einzige Aufgabe dieses Rates darin besteht, die Vorgaben der Politik möglichst schnell und billig umzusetzen", so Krumm. "Außerdem gibt es in diesem Rat keinen Einzigen, der etwas von Deutschlernen versteht." Gefordert wird nun, dass die bestehenden Vorgaben zur Erreichung der Sprachkenntnisse zuerst evaluiert werden. "Das ist nämlich im wissenschaftlichen Rahmen noch nie passiert", sagt de Cillia. (Bianca Blei, derStandard.at, 25.1.2011)