Der "Canisibus" der Caritas bringt an 365 Tagen im Jahr Essen zu jenen, die es sich nicht leisten können. Ehrenamtliche kochen täglich Suppe und verteilen sie in ganz Wien.

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Wöchentliches Arbeitsvolumen Freiwilliger

Grafik: DER STANDARD

Nicht jeder, der sich irgendwo ehrenamtlich engagiert, will die Welt verändern: Freiwillig dabei zu sein "macht Spaß", sagen 64 Prozent der Befragten einer Studie, die sich im Freiwilligenbericht des Sozialministeriums findet. Altruistische Motive, wie anderen zu helfen und sich für das Gemeinwohl nützlich zu machen, sind deutlich weniger wichtig. Das hängt mit der Struktur des Freiwilligen-Engagements in Österreich zusammen: So hat allein der Österreichische Blasmusikverein über 100.000 Mitglieder. Im Jahr 2008 gab es etwa in Salzburg 1,27 Musikkapellen pro Gemeinde. Auch Trachten- oder Gesangsvereine tragen zum hohen Kultur-Anteil bei (siehe Grafik).

43 Prozent aller Österreicher engagieren sich ehrenamtlich, formell in Vereinen oder informell, etwa durch Nachbarschaftshilfe. Die über 14 Millionen Stunden, die jede Woche in Österreich an freiwilliger Arbeit geleistet werden, entsprechen 425.000 Vollzeit-Arbeitskräften. Dabei zeigt sich ein enormes Stadt-Land-Gefälle; in Wien ist nur jeder Fünfte freiwillig tätig. Viele Einrichtungen, die in Städten mit bezahlten Kräften erhalten werden - Feuerwehr und Bibliotheken, aber auch mobile Hilfsdienste wie Essen auf Rädern - werden am Land ehrenamtlich betreut; auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) räumt ein, dass "der Erhalt vieler sozialer, kultureller und sportlicher Einrichtungen oder Blaulicht-Organisationen" ohne Freiwillige nicht möglich wäre.

Im europäischen Jahr der Freiwilligkeit arbeitet man im Sozialministerium an zwei neuen Gesetzen aus diesem Bereich. Eines soll rechtliche Rahmenbedingungen klären, etwa die Entgeltfortzahlung, wenn ein freiwilliger Feuerwehrmann während der Arbeitszeit ausrücken muss. Ein anderes Gesetz schafft Ersatz für den Fall, dass die Wehrpflicht und damit der Zivildienst abgeschafft wird. Die Eckdaten für das Sozialjahr - 1300 Euro brutto pro Monat, Anrechnung für weitere Ausbildungen - hat Hundstorfer bereits präsentiert. Das derzeit bestehende freiwillige soziale Jahr (FSJ) werde wohl darin aufgehen, sagt ein Sprecher des Ministers.

Zivildiener würden fehlen 

Tatsächlich kämpft der Trägerverein des FSJ schon lange für eine bessere rechtliche Stellung. Derzeit erhalten junge Menschen für ihren Einsatz 330 Euro pro Monat. "Privilegien", wie günstigere Zugtickets, die Zivildiener bekommen, waren den aktuell etwa 450 Freiwilligen, die ihr soziales Jahr leisten, bisher verwehrt. "Wir sind nicht dazu da, billige Arbeitskräfte für den Sozialmarkt zu rekrutieren", sagt Harald Fartacek, Geschäftsführer des Vereins FSJ.

Der Politikwissenschafter Emmerich Tálos glaubt nicht, dass Zivildiener quantitativ durch ein freiwilliges Sozialjahr zu ersetzen sind. In einer Gesellschaft mit einer "erodierenden Solidaritätsstruktur" könne man das von jungen Leuten nicht erwarten. Oder anders gesagt: Wer nicht wisse, ob er jemals eine staatliche Pension bekomme, werde nicht ein Jahr lang für so wenig Geld arbeite. Der Großteil der sozialen Absicherung, so Tálos, passiere zwar über den Staat; aber "für die individuelle Betreuung in einer alternden Gesellschaft" brauche es "enorm viel freiwilliges Engagement". (Andrea Heigl, DER STANDARD; Printausgabe, 25.1.2011) 

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