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Najib Mikati auf einem Plakat.

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Beirut/Jerusalem - Nachdem sie zusammen mit ihren Verbündeten über die parlamentarische Mehrheit verfügt, kann die schiitische Hisbollah entscheidenden Einfluss auf die Bildung der neuen libanesischen Regierung nehmen. Sie setzt sich für eine "Regierung der nationalen Partnerschaft" ein und unterstützt die Kandidatur von Ex-Premier Najib Mikati (55) für den Posten des Ministerpräsidenten. Der sunnitische Politiker und Großunternehmer war 2009 auf der Liste des pro-westlichen "Blocks der Zukunft" des bisherigen Regierungschefs Saad Hariri ins Parlament gewählt worden. Hariri schloss unterdessen eine Beteiligung seiner Fraktion an einer Konsensregierung unter Führung des Hisbollah-Bündnisses aus.

Die israelische Regierung bezeichnete die Bildung einer faktisch von der Hisbollah geführten Regierung im Libanon als "große Gefahr". Damit hätte Israel eine "quasi-iranische" Regierung zum direkten Nachbarn, sagte Vizepremier Silvan Shalom am Montag im Radio. Der Libanon stünde dann unter der Kontrolle einer "terroristischen Entität". Der pro-iranischen Schiiten-Bewegung wird vorgeworfen, im Sommer 2006 durch Raketenangriffe ihrer Miliz und Entführungen den verlustreichen 34-Tage-Krieg mit Israel provoziert zu haben. Dabei starben 1200 Libanesen und 160 Israelis. Israel hat für den Fall, dass es von der Hisbollah angegriffen werden sollte, bereits gedroht, seine "ganze militärische Macht gegen die Infrastrukturen des libanesischen Staates" einzusetzen.

Präsident hat Konsultationen aufgenommen

Der libanesische Staatspräsident Michel Sleimane hat am Montag in Beirut die Konsultationen mit allen Parlamentsfraktionen aufgenommen, bevor er den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Die Koalition "Kräfte des 8. März", in der die Hisbollah mit der ebenfalls schiitischen Amal von Parlamentspräsident Nabih Berri und der christlichen "Freien Patriotischen Bewegung" (CPL) von Ex-Armeechef Michel Aoun zusammengeschlossen ist, hat den Sunniten Mikati für das Premier-Amt nominiert. Dieser gehört zu Hariris Allianz "Kräfte des 14. März". In einer am Montag veröffentlichten Erklärung Hariris hieß es, Mikati sei kein "Konsenskandidat": "Es gibt einen Kandidaten, der Saad Hariri heißt, und einen anderen, der der Kandidat des 8. März ist." Das Gerede von einem "Konsenskandidaten" sei "Sand in die Augen".

Mit den elf Abgeordneten der Sozialistischen Fortschrittspartei (PSP) des Drusenführers Walid Joumblatt hält der "8. März" 68 der 128 Sitze, das Hariri-Lager nur 60. Damit sind die Verfechter einer Zusammenarbeit mit dem UNO-Sondertribunal zur Aufklärung des Mordes an Hariris Vater, Ex-Ministerpräsident Rafik Hariri, 2005 in der Minderheit. Joumblatt beschuldigte das in den Niederlanden eingerichtete Tribunal, zu einem "Werkzeug der Zerstörung" und einem "Ort des Kuhhandels" geworden zu sein. Der PSP-Chef hatte am Freitag Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah aufgesucht und erklärt, sein Platz sei auf der Seite des "Widerstandes". Mit Syriens Staatschef Bashar al-Assad, mit dem er vor einigen Tagen in Damaskus Gespräche geführt hatte, stimme er darin überein, dass sich die künftige libanesische Regierung von dem Tribunal distanzieren müsse. Aus Joumblatts Umgebung war verlautet, der Drusenführer habe keine andere Wahl, als sich auf die Hisbollah-Seite zu schlagen, weil er als Vertreter einer religiösen Minderheit jede Konfrontation mit den Schiiten, der zahlenmäßig stärksten Bevölkerungsgruppe des Landes, vermeiden wolle.

Das Bündnis "Kräfte des 8. März" war vor knapp zwei Wochen aus Hariris Allparteienregierung ausgeschieden, weil es jede Kooperation mit dem UNO-Tribunal ablehnt. Es wird damit gerechnet, dass in der Anklageschrift Mitglieder der Hisbollah, die in dem Tribunal ein gegen die Schiiten eingesetztes "amerikanisch-zionistisches Instrument" sieht, als Drahtzieher des Attentats beschuldigt werden. Israelische Medien hatten ohne Quellenangabe gemeldet, das Tribunal wolle den Hisbollah-Funktionär Mustafa Badr al-Din als Hauptverdächtigen anklagen, einen Schwager des 2008 in Damaskus vermutlich vom israelischen Geheimdienst Mossad getöteten früheren Hisbollah-Militärchefs Imad Moughniyah.

Rafik Hariri war am 14. Februar 2005 bei einem Sprengstoffanschlag in Beirut mit 22 weiteren Personen ums Leben gekommen. Zuerst hatte sich der Verdacht auf eine syrische Urheberschaft konzentriert. Der Anschlag hatte wochenlange Massenproteste ("Zedernrevolution") ausgelöst und eine Dynamik in Gang gesetzt, die zum Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon nach 29-jähriger Präsenz führte.   (APA/AFP)