Bild nicht mehr verfügbar.

Offiziell oder doch nicht: In jedem Fall gibt es einen Brief aus Kairo, der die 47 Zentimeter hohe Kostbarkeit von Deutschland zurückfordert.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Kairo - Ägypter fordert nun erstmals seit mehreren Jahrzehnten offiziell die Büste der Nofretete, das Glanzstück des Neuen Museums in Berlin, zurück. Das teilte zumindest das Kulturministerium in Kairo am Montag mit; ein entsprechender Brief sei bereits an den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, geschickt worden. Ministerpräsident Ahmed Nazif habe die Forderung unterzeichnet, hieß es weiter.

In Deutschland sieht man das allerdings anders: Ein offizielles Ersuchen Ägyptens über die Rückgabe der Nofretete sei Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) nicht bekannt, sagte sein Sprecher Hagen Philipp Wolf.

Keine Unterschrift vom Ministerpräsidenten

Es gebe ein Schreiben vom 2. Jänner, adressiert an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Es trage die Unterschrift des ägyptischen Chefarchäologen und stellvertretenden Kulturministers Zahi Hawass. sagte Wolf. Die darin formulierte Bitte um Rückgabe der Nofretete hätten aber weder der ägyptische Ministerpräsident noch andere Regierungsmitglieder unterzeichnet. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, bestätigte den Brief aus Ägypten. "Das Schreiben ist nicht vom Ministerpräsidenten unterzeichnet", teilte Parzinger mit. Dagegen bekräftigte die Altertumsbehörde in Kairo, der Ministerpräsident habe unterschrieben.

Die weltberühmte Büste der Nofretete ist Publikumsmagnet im Neuen Museum in Berlin. Das vom britischen Stararchitekten David Chipperfield restaurierte Haus war erst im Oktober 2009 wiedereröffnet worden und lockte im ersten Jahr mehr als 1,2 Millionen Besucher an.

"Kein Rechtsanspruch vonseiten Ägyptens"

Hawass hatte bereits in der Vergangenheit immer wieder die Rückgabe der berühmten 3.500 Jahre alten Gipsbüste gefordert. "In der Sachlage gibt es nichts Neues", betonte Neumanns Sprecher Wolf. Der damalige preußische Staat sei bei den Ausgrabungen in Ägypten Anfang des 20. Jahrhunderts durch sogenannte Fundteilung zum rechtmäßigen Eigentümer der Nofretete geworden. "Aus unserer Sicht gibt es deshalb keinen Rechtsanspruch vonseiten Ägyptens auf diese Büste", sagte er. Die Stiftung werde das jüngste Schreiben von Hawass in Abstimmung mit der Bundesregierung beantworten, ergänzte Wolf.

Die Haltung der Stiftung zu Nofretete sei unverändert, betonte Parzinger. "Sie ist und bleibt die beste Botschafterin Ägyptens in Berlin." Die Stiftung habe großes Interesse an einer guten Kooperation mit den ägyptischen Fachleuten.

Hawass spricht von Täuschung

Die Büste der Nofretete, Ehefrau des Pharaos Echnaton, hatte der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt 1912 in Tell al-Amarna ausgegraben. Chefarchäologe Hawass ist der Auffassung, Borchardt habe die Verantwortlichen in Kairo damals getäuscht. Er habe die Büste vor der Fundteilung mit Matsch eingeschmiert, um ihren Wert vor dem ägyptischen Antikendienst zu verbergen. Das inzwischen abgeschaffte Prinzip der "Fundteilung" bedeutete, dass die Hälfte der Fundstücke damals in das Land gingen, das die Ausgrabung finanziert und organisiert hatte, die andere Hälfte blieb in Ägypten.

Der Preußische Kulturbesitz bestreitet eine Täuschung. Die Objekte seien in Listen genau erfasst gewesen. Von den herausragenden Fundstücken hätten auch Fotografien vorgelegen. Zudem hätten damals die geöffneten Kisten zur Begutachtung der Objekte bereitgestanden. Im Auswärtigen Amt ist man der Ansicht, die zerbrechliche Dame sei rechtmäßiges Eigentum der Stiftung und müsse deshalb auch nicht zurückgegeben werden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte im vergangenen Mai während eines Besuches in Kairo versucht, die Ägypter davon zu überzeugen. (red/APA/dpa)