"Fohnsdorf - Die Richtung stimmt". Hinter der Werbetafel das Gemeindeamt. Seit 13. Jänner führt ein Regierungskommissär der Geschäfte der bankrotten Gemeinde.

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Die Besucherzahl der Aqualux Therme in Fohnsdorf bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Ohne Zuschuss des Landes wird die Gemeinde den Betrieb nicht aufrecht erhalten können.

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Gemeindeinformation in Fohnsdorf. Von der Einsetzung des Regierungskommissärs war dort nichts zu lesen.

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Fohnsdorf gedenkt seiner Bergarbeitertradition. Das Bergwerk wurde Ende der 1970er geschlossen.

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Der Bürgermeister Johann Straner (SPÖ) ist nicht mehr im Amt. Das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung ermittelt wegen des Verdachtes auf Amtsmissbrauch.

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Friedrich Zach, Regierungskommissär, führt die Gemeidegeschäfte. Er wird in einigen Wochen ein Sanierungskonzept vorlegen.

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Ingrid Felfer war bis zum 13. Jänner ÖVP-Vizebürgermeisterin: „Der Gemeinderat hat für den Bürgermeister nicht existiert. Nachfragen war Majestätsbeleidigung."

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Elfriede Wieser, KPÖ-Gemeinderätin: „Der Bürgermeister wollte seine Projekte auf Biegen und Brechen durchbringen und hat sich nichts sagen lassen"

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Schon 1999 titelte die "Glück Auf", die Zeitung der KPÖ-Fohnsdorf, mit dem Schuldenstand.

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Der FPÖ-Gemeinderat Luca Kerbl bemängelt die Kritikfähigkeit des Bürgermeisters.

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Dem Kino im Einkaufszentrum "Arena am Waldfeld" wurde jahrelang die Lustbarkeitssteuer erlassen. Der Gemeinde entgingen 600.000 Euro.

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In unmittelbarer Nachbarschaft zur Therme entsteht der "Thermenpark Murtal". Bis zu 70 Ferienhäuser und kleine Eigenheime sollen auf dem 4,5 Hektar großen Areal entstehen.

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Fohnsdorf hat seit Jahrzehnten keine Kohle mehr. Jetzt aber geht der Gemeinde auch noch das Geld aus. Der ehemalige Bergarbeiterort in der Obersteiermark ist zahlungsunfähig. Zu diesem Ergebnis kommt der Rohbericht des Rechnungshofes, der seit Ende des vergangenen Jahres vorliegt. Seit dem 13. Jänner führt ein Regierungskommissär des Landes die Geschäfte der rund 8000 Einwohner zählenden Gemeinde. Gemeinderat gibt es keinen mehr und der SPÖ-Bürgermeister Johann Straner ist nicht mehr im Amt. Mehr als 13 Millionen Euro sind notwendig, um den maroden Fohnsdorfer Haushalt mittelfristig zu sanieren.

Kritik an der Amtsführung

Überraschung war diese Entwicklung keine: Schon 2009 prüfte die Fachabteilung 7A, die Aufsichtsbehörde für Gemeinden und Gemeindeverbände der steirischen Landesregierung, die SPÖ-Gemeinde. Der 127-seitige Bericht ging mit der Amtsführung des Bürgermeisters Johann Straner hart ins Gericht.

Das örtlichen Kino zahlte jahrelang keine Lustbarkeitssteuer. Die Gemeinde hat damit zwischen 2000 und 2008 auf zumindest 600.000 Euro an Einnahmen verzichtet, rechnet die Prüfstelle des Landes vor. Der Beschluss für diese „Wirtschaftsförderung" ist lediglich im Gemeindevorstand gefällt worden und nicht, wie laut Gemeindeordnung notwendig, im Gemeinderat.

Mieter im Ärztezentrum durften zum Teil einige Jahre kostenfrei die Räumlichkeiten nutzen. Für den Abriss von elf alten Häusern wurde deren Besitzer mit mehr als 400 Euro pro Quadratmeter entschädigt. Der Gemeinde entstanden dadurch Kosten von mehr als zwei Millionen Euro. Der Vertrag mit den ÖBB, die Straner für die Tätigkeit als Bürgermeister freistellten, war ebenfalls nicht astrein.

Hausaufgaben nicht erledigt

Am Ende des Berichtes findet sich eine lange Liste mit Hausaufgaben, die von Fohnsdorf aber nicht umgesetzt wurden. Das Land lässt im Vorjahr zusätzlich den Bundesrechnungshof prüfen. Das Ergebnis: Die Gemeinde ist bankrott.

Um der Entsendung eines Regierungskommissärs zu entgehen, beschließt der Gemeinderat gleich zweimal seine Selbstauflösung. Doch das Land lässt sich nicht beeindrucken. Zu Guter Letzt legen die SPÖ-Gemeinderäte am 12. Jänner ihre Mandate zurück. Diese Vorgehensweise hat zur Folge, dass die Landesregierung einen Kommissär entsenden muss, der bis zur Angelobung eines neu gewählten Gemeinderates die Geschäfte führt. Die Neuwahlen müssen innerhalb von sechs Wochen ausgeschrieben werden. Wann genau sie stattfinden liegt freilich im Ermessen des Kommissärs.

Eine Therme als Heilsbringer

Neben den oben erwähnten Missständen, war der Bau der Aqualux Therme Fohnsdorf eine der Ursachen für das Finanzdesaster. Schon seit Beginn der 1990er ist das Thermenprojekt Dauerthema in der strukturschwachen und mit Bevölkerungsschwund kämpfenden Region. Das Ende des Bergbaus in Fohnsdorf Ende der 1970er Jahren, die Zerschlagung der verstaatlichten Betriebe in Zeltweg und Judenburg ließ Arbeitsplätze Mangelware werden.

Die Politiker der Region stehen diesen Abwanderungstendenzen machtlos gegenüber. Projekte, wie im Fall von Fohnsdorf der Bau einer Therme, werden als Heilsbringer gelobt und oft auch gebaut, wenn deren Wirtschaftlichkeit von Beginn an fraglich scheint.

Nachdem private Investoren abspringen, hält die Fohnsdorf trotzdem an der Idee der Therme fest und stemmt die Kosten gemeinsam mit dem Land Steiermark. Insgesamt belaufen sich die Baukosten auf 26 Millionen Euro - 2,5 Millionen Euro steuert das Land bei. Bei der Eröffnung der Therme Ende 2007 ist auch Landeshauptmann Voves anwesend. Der erwünschte Besucheransturm bleibt aber aus. Im Jahr 2009 wurde mit 260.000 Gästen gerechnet, gekommen sind lediglich 137.500 - zu wenig um den Betrieb wirtschaftlich führen zu können.

Regierungskommissär muss sanieren

Im ersten Stock im Zimmer 13 des Fohnsdorfer Gemeindeamtes sitzt nun nicht mehr der ehemalige Bürgermeister Straner, sondern Friedrich Zach, der vom Land bestellte Regierungskommissär. Der Referatsleiter der Fachabteilung 7A war schon 2008 elf Monate lang in dieser Funktion in der Gemeinde Trieben. Zach ist um Beruhigung bemüht. Noch kann er nicht sagen, was notwendig sein wird, um Fohnsdorf finanziell wieder auf eigene Beine zu stellen. „Zuerst muss ich mir einen Überblick verschaffen, erst dann kann ich ein Sanierungskozept erstellen", erklärt Zach. Eines steht allerdings schon fest: „Die Therme braucht einen Zuschuss von außen, allein schafft es die Gemeinde nicht." Den Unterschied zwischen Trieben und Fohnsdorf bringt er mit einem Satz auf den Punkt: „Trieben hat ein Hallenbad, Fohnsdorf hat eine Therme."

Ex-Bürgermeister Straner: "Hetzkampagne gegen meine Person"

Dass er etwas falsch gemacht hat, glaubt Bürgermeister Straner nicht. Er spricht von einer „Hetzkampagne gegen seine Person" und darüber, dass auch andere Tourismusprojekte in der Steiermark nur durch Zuschüsse des Landes am Leben gehalten werden. So groß war der Zorn gegen das Land, dass Straner nachdem bekannt wurde, dass die Landesregierung einen Kommissär einzusetzen plant, aus der SPÖ austreten wollte. Diese Aussage hat er mittlerweile zurückgenommen. Straner bleibt in der SPÖ und will sich gemeinsam mit seinem Team den Neuwahlen stellen, die er in vier bis fünf Monaten erwartet. Er zweifelt nicht daran, dass ihn die Fohnsdorfer wieder zu ihrem Bürgermeister wählen.

Kukuruzfelder in der Untersteiermark

Damit könnte er recht behalten. Im Gasthaus Engelhardt am Fohnsdorfer Hauptplatz verfolgen die Gäste bei einem Achterl Rot oder einem Puntigamer die Abfahrt in Kitzbühel. „Wenn morgen Wahlen wären, hätte Straner mehr als 90 Prozent", ist dort zu hören. Er habe die falschen Berater gehabt, aber viel gemacht für die Gemeinde. „Ich bin 1980 aus Wien hergekommen, es ist heute kein Vergleich dazu, wie Fohnsdorf damals ausgeschaut hat", sagt ein um die 50-Jähriger, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen will. Die Dame neben ihm pflichtet ihm bei: „Wo gehobelt wird, fallen eben auch Späne."
Natürlich habe Straner auch Fehler gemacht. „Amtsleiter und Bürgermeister in einer Person - das hätte er nicht machen sollen." Aber hier ist man sich einig, dass an Fohnsdorf ein Exempel statuiert und die Region vom Land benachteiligt wird: „In der Untersteiermark bauen's in jedes Kukuruzfeld eine Asphaltstraße. Da fragt niemand nach."

Einwände vom Tisch gewischt

Politisch hat in Fohnsdorf schon immer die SPÖ das Sagen: 19 der insgesamt 25 Mandate im mittlerweile aufgelösten Gemeinderat hielt die SPÖ. Die ÖVP war mit vier Mandaten vertreten, FPÖ und KPÖ mit jeweils einem Mandat. Mit der absoluten Mehrheit im Rücken ließ sich vieles einfacher beschließen. Warnungen der Oppositionsparteien wurden von Straner kontinuierlich vom Tisch gewischt. „Er wollte seine Projekte auf Biegen und Brechen durchbringen und hat sich nichts sagen lassen", erzählt KPÖ-Gemeinderätin Elfriede Wieser. Dass die Therme zusperren müsse glaubt auch die Verkäuferin nicht. Aber wahrscheinlich werden Gebühren erhöht werden müssen. Oder bei der Verwaltung eingespart.

Die Opposition hat in den letzten Gemeinderatssitzungen wiederholt Einsicht in den Rohbericht des Rechnungshofes gefordert. Vergeblich. Auch der tatsächliche Schuldenstand der Gemeinde bleibt ein Rätsel. Die KPÖ kommt auf rund 52 Millionen Euro - die ausgegliederten Betriebe, zu denen auch die Therme zählt, nicht mitgerechnet. Die ÖVP hat vor zwei Jahren schon einen Schuldenstand von rund 60 Millionen Euro errechnet. Straner selbst spricht von 31 Millionen. Wie hoch die Schulden tatsächlich sind, will auch der Kommissär Zach nicht sagen. Er müsse sich eben erst einen Überblick verschaffen.

Kreative Buchhaltung

„Da ist jahrelang vieles durch kreative Buchhaltung und geschönte Zahlen verschleiert worden", glaubt Ingrid Felfer, die bis vor kurzem ÖVP-Vizebürgermeisterin war, und die Landwirtin fügt hinzu, „der Gemeinderat hat für den Bürgermeister nicht existiert, er hat einfach getan wie er wollte. Nachfragen war Majestätsbeleidigung". Felfer stellt die Entscheidung der Gemeinde, eine Therme zu bauen nicht grundsätzlich in Frage, aber „es ist nicht die Aufgabe der Gemeinde einen Tourismusbetrieb zu führen. Das ist nicht professionell." Im Verbund mit Nachbargemeinden wäre der Thermenbetrieb vorstellbar gewesen, argumentiert Felfer.

Auch der FPÖ-Mandatar Luca Kerbl berichtet von der mangelnden Kritikfähigkeit der Mehrheitsfraktion. Die Therme sieht der Spannungstechniker-Lehrling als einen Alleingang, der für die Arroganz des Bürgermeisters spricht. Der Absprung der privaten Investoren habe gezeigt, dass das Projekt nicht ausgereift ist. „Straner schmückt sich jetzt mit der Umsetzung. Die Schuldenpolitik lässt er links liegen."

Neues Projekt: "Thermenpark Murtal"

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Therme soll noch dieses Jahr der „Thermenpark Murtal" entstehen: geplant ist eine Ferienhaussiedlung mit insgesamt 250 Betten. Ob das der Therme Fohnsdorf hilft, sich über Wasser zu halten, wird sich zeigen. Noch in der letzten Gemeinderatssitzung am 7. Jänner wurde die Umwidmung des Grundstückes in Bauland beschlossen.

Anzeige wegen Amtsmissbrauch

Mittlerweile liegt gegen Straner auch eine Anzeige werden Verdachts auf Amtsmissbrauch vor, die das Land nach Bekanntwerden des Rechnungshofberichtes bei der Staatsanwaltschaft Leoben eingebracht hat. Es wird auch wegen „anderer Delikte" ermittelt, heißt es aus der Fachabteilung 7A. Was genau darunter fällt, wollen die Beamten aus Gründen der Amtsverschwiegenheit nicht preisgeben. Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung ermittelt. Mit einer Entscheidung ob Anklage erhoben wird, ist frühestens im Frühjahr zu rechnen. Einer Kandidatur Straners steht die Anzeige jedenfalls nicht im Weg. Erst bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu mehr als einem Jahr unbedingter Haftstrafe verliert der Betroffene sein Mandat. (Michaela Kampl, derStandard.at, 27.1.2011)