Sieht "klares Dumping": Grünberger.

 

 

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Kein Verstoß: ORF-General Wrabetz.

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Wien - Noch im Dezember erhielt Alexander Wrabetz unweihnachtliche herbe Post: Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Zeitungsverbands VÖZ, warnte den ORF-General vor "teils offenkundigen, teils zumindest potenziellen Verstößen" gegen die Regeln des ORF-Gesetzes für Onlinewerbung. Die Tarifliste für 2011, die Grünberger da meinte, trat in Kraft. Ein Gespräch zum Thema zwischen ORF und Zeitungsverlegern steht auch gut ein Monat später noch aus.

Erste Reaktion eines ORF-Sprechers auf Anfrage des STANDARD: "Wir bestreiten jegliche Gesetzesverletzung." Eine detaillierte Reaktion zu den Vorwürfen der Verleger kündigte er für Montag an. Der Zeitungsverband fand eine ganze Reihe von Kritikpunkten.

Mitbewerber unterbieten

Grünberg betont in dem Schreiben, das auch an ORF-Direktoren, -Werbechef und -Stiftungsräte ging: Das erst 2010 novellierte ORF-Gesetz verbiete der Anstalt, "kommerzielle Kommunikation" zu niedrigeren Preisen anzubieten als kaufmännisch kalkuliert, um Mitbewerber zu unterbieten und so Marktanteile zu steigern. Die EU-Kommission stellte die Bedingung im Wettbewerbsverfahren, in dem sie dem ORF "ungerechtfertigtes Werbedumping" untersagte. Die Kommission sehe solches "Drücken der Werbepreise" "als Musterbeispiel einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Handels- und Wettbewerbsbedingungen" und Verstoß gegen EU-Recht.

Die Tausend-Kontakt-Preise (TKP - soviel kostet es Werber, 1000 Seher/Hörer/User und -innen zu erreichen) des ORF für fixe Platzierungen im Web widersprächen diesem Prinzip: Sie liegen laut Verband "teils vollkommen unverhältnismäßig unter dem Marktpreis und unter den eigenen dynamischen TKPs und sind als klare Dumpingangebote zulasten der Mitbewerber zu qualifizieren".

Bei einzelnen Tarifen sah der Zeitungsverband den ORF bei rund einem Drittel bis einem Fünftel der "marktüblichen" TKPs, geht aus dem Brief hervor.

Rabatte in Onlineangeboten verboten

Das ORF-Gesetz verbietet dem ORF zudem Rabatte in Onlineangeboten, ausgenommen Ermäßigungen für größere Buchungen nach klaren Mengenstaffeln. In den Onlinetarifen des ORF für 2011 sah der Zeitungsverband aber "zahlreiche Verstöße gegen diese Transparenz- und -Rabattbestimmungen".

Eine Preisrabattstaffel dort sei zu unpräzise. Ob sie auch für Mengenbuchungen von Agenturen gilt, bleibe offen. Dies würde "offenkundig zu Wettbewerbsverzerrung führen", findet der VÖZ.

Noch vager sei eine"kundenindividuelle Rabattanpassung". Die bringe "völlige Intransparenz", enthalte mehr Varianten als das Gesetz vorsehe und widerspreche ihm also. Auch Erstbuchern biete der ORF einen Rabatt, der nicht im Gesetz gedeckt sei.

Onlinetarife für Webseiten von Ö3, FM4 und Ö1 seien an Schaltungen bei den Sendern gebunden. Der VÖZ sieht darin "verschleierte, dem ORF verbotene Cross-Media-Rabatte". Dem ORF sei geografisch gezielte Werbung verboten; er biete sie aber nach IP-Adressen an. Der ORF möge dieses Angebot präzisieren, "um jeglichen Eindruck gesetzwidriger Werbeleistungen zu vermeiden".

Prenner: "ORF bietet keine unzulässigen Werbeformen an"

Franz Prenner, Geschäftsführer ORF-Enterprise, zu den Vorwürfen: "Anders als vom VÖZ behauptet, kann bei der Preisgestaltung durch die ORF-Enterprise auch nicht annähernd von Dumping die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Die Preise bei den Fixplatzierungen wurden sogar kontinuierlich erhöht, zuletzt 2010 um 7 Prozent, für 2011 ist bei den Fixplatzierungen eine weitere Steigerung um 13 Prozent vorgesehen. Die unterstellten Einnahmenverluste bei der Onlinewerbung des ORF existieren nicht, es ist daher auch der daraus resultierende Schluss auf die Notwendigkeit von deren Kompensation unzulässig."

Zum Vorwurf der Gewährung unzulässiger Rabatte meint Prenner, dass "selbstverständlich auch die Preisgestaltung der ORF-Enterprise nach kaufmännischen Grundsätzen zu erfolgen hat, da der ORF mit anderen Medien auf dem Werbemarkt in Konkurrenz steht." Der ORF habe allerdings im Gegensatz zu den Rabatt-Angeboten von Print-Verlagen deutlich engere gesetzliche Grenzen zu beachten. Prenner: "Diese könne jedoch nicht so zu interpretieren sein, dass der ORF an ein Tarifwerk gebunden ist, dem jegliche Flexibilität fehlt und das daher fairen Wettbewerb für den ORF unmöglich machen würde. Zu dieser Auffassung kommt übrigens auch ein Gutachten, das sich mit der Umsetzung der neuen gesetzlichen Grundlagen durch den ORF beschäftigt. Und auch zum dritten Punkt, den der VÖZ dem ORF vorwirft, ist jede Unterstellung eines 'Potenziellen Gesetzesbruches' (!) zurückzuweisen. Der ORF bietet seinen Kunden keine unzulässigen Werbeformen an - dies gilt auch für das angesprochene IP-Targeting." (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 24.1.2011)