Vergangenen Mittwoch wurde ruchbar und dem STANDARD zugetragen, dass die Staatsanwaltschaft Wien keinen Grund sieht, gegen die "Mustafa eine aufs Nudelaug"-Sagenbroschüre der FPÖ aus dem vergangenen (Wahl)kampf um Wien wegen Paragraf 283 StGB, "Verhetzung", vorzugehen. Inzwischen sind zwei Werk- und ein Wochenendtag durchs Land gegangen, aber keiner der 946 AnzeigerInnen - Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ) und 944 Sachverhaltsdarstellungs-Schickerinnen der Initiative Menschenrechte und Zivilcourage - hat bisher eine offizielle Bestätigung der Verfahrenseinstellung in der Hand.
Der Briefeversand aus dem Landesgericht Wien und/oder die Post arbeiten offenbar langsam. Das ist bedauerlich, weil die 946 AnzeigerInnen gespannt auf die Begründung sind, warum die scheinwitzige Aufforderung eines Buben zur Körperverletzung eines türkischen "Mustafa" in jugendadäquater Cartoonform durch eine wahlwerbende Partei keine einschlägigen Tatbestandsmerkmale aufweisen soll.
Dürre Benachrichtigungen
Auf eine ausführliche Benachrichtigung würden die 946 Anzeiger mit großer Wahrscheinlichkeit umsonst warten, mischte sich am Freitag Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger in die Angelegenheit. Er weiß, wovon er spricht, denn er hat in seiner politischen Funktion und privat sowohl Polizei als auch Staatsanwaltschaften bereits dutzende Sachverhaltsdarstellungen zukommen lassen, eine Reihe davon wegen "Verhetzungs"-Verdacht. Lege die Behörde eine solche Causa nieder, falle die Benachrichtigung meist kurz und inhaltlich dürr aus, schildert er: Die Staatsanwaltschaft sei zu dem Schluss gekommen, dass Tatbestandsmerkmale fehlten, Schluss aus.
Sollte sich das auch im Fall "Mustafa-Comic" so verhalten - es wäre unbefriedigend. Und es wäre ein Problem, denn in einem politisch derart heiklen Fall - immerhin geht es um mögliche Aufforderung zur Gewalt gegen Menschen mit türkischem Background, also in Wien um eine beachtlich große Bevölkerungsgruppe - sind die Einstellungsgründe von besonderem Interesse. Wer wurde befragt? Welche Sachverständigengutachten über die Wirkung fiktiver, aber offener Gewaltaufforderung wurden eingeholt? Wer hat erwogen, ob die - laut der Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak - "kalkulierte Ambivalenz" dieses FPÖ-Werbemittels im Sinne der Bewahrung der öffentlichen Ordnung als harmlos einzuschätzen ist?
Strache nicht befragt
Wer immer einvernommen, wer immer angehört wurde oder nicht - für einen in dieser Sache wichtigen Politiker könne man das ausschließen, merkt dazu Öllinger an: Für den FPÖ-Wien-Spitzenkandidaten Heinz-Christian Strache, bei dem man, um ihn zu laden, die Auslieferung beantragen hätte müssen, denn er ist immun. Doch das sei nicht geschehen.
Dafür mitverantwortlich, vermutet Öllinger: das Hin- und Herschicken der Causa "Mustafa-Comic" zwischen den Staatsanwaltschaften Wien, Wiener Neustadt und letztendlich wieder Wien. Vor lauter Herumschupfen der heißen Erdäpfel sei wohl deren adäquate Bearbeitung unterlassen worden, vermutet er - und will deshalb eine parlamentarische Anfrage an Justizministerin Claudia Bandion-Ortner stellen. Die blaue Wiener Comic-Affäre ist damit vielleicht doch noch nicht erledigt.