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Proteste in Berlin

Foto: Reuters/Schwarz

Berlin - Agrarminister aus 50 Ländern haben in Berlin exzessiven Spekulationen und Preisschwankungen auf den Agrarmärkten den Kampf angesagt. Sie sehen darin eine Bedrohung für die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Am Rande der Grünen Woche in Berlin appellierten sie am Samstag an die G-20-Staaten, gegen Missbrauch und Manipulation von Preisen vorzugehen.

Die EU kündigte unterdessen Schritte gegen den Absturz der Schweinefleischpreise an, den der Dioxinskandal in Deutschland ausgelöst hatte. Währenddessen demonstrierten in Berlin Zigtausende Menschen für eine radikale Wende in der Agrarpolitik.

"Sehr guter Beginn"

Mit dem Beschluss eines gemeinsamen Kommuniques zum Thema Welternährung ging in Berlin der 3. Agrarministergipfel zu Ende. Die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) übergab das Papier am Samstagabend dem französischen Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire als amtierenden Präsidenten der G-20-Staaten. Le Maire nannte das Papier einen "sehr guten Beginn" für die gemeinsame Arbeit. Nun gelte es vor allem, die Preisschwankungen im Lebensmittelbereich zu bekämpfen. Auch müssten Gespräche mit den USA und China geführt werden.

Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich (V) sagte bei dem Agrarministergipfel laut Aussendung, "wilde Spekulationen mit virtuellen Agrarwerten" seien "das Übel für unsere Bauern, aber vor allem auch für die Entwicklungsländer. Wir brauchen Transparenz und Ordnung und keine Wild-West-Mentalität". Die Landwirtschaft sei außerdem "massiv vom Klimawandel betroffen und muss sich daher auch massiv für den Klimaschutz einsetzen." Berlakovich forderte darüberhinaus, das europäische Lebensmittelmodell neu auszurichten. "Qualitätsorientierte Lebensmittelproduktion mit klarer Herkunftskennzeichnung ist das Gebot der Stunde."

In dem Kommunique bekennen sich die Landwirtschaftsminister an erster Stelle zu nachhaltiger und regionaler Erzeugung von Lebensmitteln. Der Handel damit müsse auf Regeln basieren. Die Unterzeichner zeigen sich "besorgt über exzessive Ausprägungen" von Spekulationen auf den internationalen Agrarmärkten. Darüber hinaus wird an die Verhandlungsführer der Welthandelsorganisation appelliert, einen baldigen und ausgewogenen Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde anzustreben.

Nach offiziellen Schätzungen wächst die Weltbevölkerung von derzeit 6,9 Milliarden Menschen bis 2050 auf 9,1 Milliarden. Aigner warnte vor Hungerrevolten in ärmeren Ländern. "Die Ausschreitungen in Algerien und Tunesien haben ihren Grund auch in den steigenden Lebensmittelpreisen", sagte Aigner der Nachrichtenagentur dpa.

EU-Kommissar Dacian Ciolos hatte auf dem Podium "größere Transparenz" auf den Lebensmittel-Rohstoffmärkten und den dort stattfindenden Transaktionen gefordert. "Das wird dazu beitragen, jene auszuschalten, die nur kurzfristig spekulieren wollen", sagte er. Insgesamt aber entwickle sich die europäische Landwirtschaft "in Richtung Nachhaltigkeit". Gemeinsam mit einer Steigerung der Produktivität sei dies ein wichtiger Bestandteil der Wettbewerbsfähigkeit im globalen Markt.

Parallel zu den Tagungen protestierten in Berlin Zehntausende gegen die Agrarpolitik in Europa. Unter dem Motto "Wir haben es satt - Nein zu Gentechnik, Tierfabriken und Dumpingexporten" zogen nach Veranstalterangaben 22.000 Menschen zum Teil mit Traktoren vom Hauptbahnhof durch das Regierungsviertel zum Brandenburger Tor. Getragen wurde die Veranstaltung von mehr als 120 Bauern- und Umweltverbänden, Bürgerinitiativen gegen Massentierhaltung und Gentechnik sowie von Eine-Welt-Gruppen. Die deutsche Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte vor den Demonstranten ein Ende der Massentierhaltung.(APA/dapd/dpa)