Josef Taus, mittlerweile 77, im Interview: Abseits der Öffentlichkeit hatte er ein gutes Verhältnis zu Kreisky.

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Standard: Viele Leute haben noch gut die TV-Konfrontation 1975 in Erinnerung, als Kreisky Sie gemaßregelt oder ständig mit den Papieren geraschelt hat, wenn Sie gesprochen haben. Wie haben Sie das in Erinnerung?

Taus: Ich habe Kreisky gekannt, aber ich bin fast unvorbereitet in die Diskussion gegangen. Ich musste damals einspringen, Karl Schleinzer ist im Juli tödlich verunglückt, ich bin Ende Juli zu seinem Nachfolger als ÖVP-Obmann gewählt worden. Zwei Monate später waren die Wahlen. Die Sozialdemokraten hatten die absolute Mehrheit. Das Ziel, das ich mir bescheiden gesetzt und dann nicht erreicht habe, war es, der SPÖ wenigstens die absolute Mehrheit zu nehmen. Ich wusste, wie populär Kreisky ist, hatte aber seine Medienwirksamkeit unterschätzt. Ich bin von vielen gewarnt worden. Aber dass es so arg wird, konnte ich nicht vorhersehen. Ich hatte Kreisky unterschätzt.

Standard: Hat er Sie bewusst aus dem Konzept gebracht?

Taus: Er hat mich nicht aus dem Konzept gebracht, ich habe aber die Situation nicht richtig eingeschätzt. Ich war vorher schon oft im Fernsehen, aber in der Regel als Fachmann. Wenn einem als Fachmann ein Fremdwort oder ein komplizierterer Satz herausrutscht, ist das egal. Da glauben die Leute, das ist ein guter Fachmann. Wenn man den gleichen Satz in einer politischen Diskussion sagt, ärgern sich die Leute, weil sie in einer politischen Diskussion gar keine Sachlichkeit erwarten. Das hat Kreisky genau gewusst. Da war er einfach routinierter, er war medial ausgesprochen gut.

Standard: Berühmt ist sein Satz aus dieser Diskussion: "Herr Taus, tun S' mi net dauernd schulmeistern. Manchmal kommen S' mir vor wie a Gouvernante."

Taus: Das war kein Argument und hatte mit Politik überhaupt nichts zu tun. Aber das wollten die Leute. Ich persönlich konnte das nicht. Aber die Wirkung des Smalltalk habe ich sicher weit unterschätzt.

Standard: Hat Kreisky da unfair agiert?

Taus: Aber wo, er ist eben ordentlich präpariert worden. Er hat ja g'scheite Burschen um sich gehabt, den Blecha Charly, den Johannes Kunz oder den Alfred Reiter. Und mich haben die auch recht gut gekannt, daher haben sie wahrscheinlich gewusst, wie ich auf dieses und jenes reagieren werde.

Standard: Und darauf waren Sie nicht vorbereitet?

Taus: Darauf kann man sich nicht vorbereiten. Kreisky war immerhin seit 1967 Parteivorsitzender, ich erst seit sechs Wochen. Aber das soll keine Ausrede sein. Ich habe nie in meinem Leben eine Ausrede für etwas gebraucht, auch für das nicht. Er hat die Wahl gewonnen. Ich habe mein Ziel, die Absolute zu brechen, um zumindest theoretisch in eine Verhandlungsposition zu kommen, nicht erreicht. Das war es. Alles andere ist völlig belanglos.

Standard: Was hatten Sie persönlich für ein Verhältnis zu Kreisky?

Taus: Ein recht gutes. Wir haben uns ja gut gekannt und hatten über die Verstaatlichte regelmäßig miteinander zu tun. In der privaten Diskussion war er durchaus angenehm, er war ja ein gebildeter Mann. Die Wirtschaft war seine Sache nicht, aber bei den meisten sehr erfolgreichen Politikern steht die Wirtschaft nicht im Vordergrund. Man gewinnt auch keine Wahlen mit statistischen Auflistungen.

Standard: Was hat die ÖVP damals falsch gemacht? Was hat letztlich dazu geführt, dass die absolute Mehrheit, die es unter dem schwarzen Kanzler Josef Klaus noch gegeben hat, verspielt wurde?

Taus: Nachher interpretiert man immer viel hinein, aber im Grunde genommen war es sehr trivial. Die Regierung Klaus hat gut regiert, ich war damals als Staatssekretär in der Regierung. Dann ist gegen Ende der Legislaturperiode etwas passiert: Klaus hat zwei neue Steuern eingeführt - das Autopickerl und die Weinsteuer. In vielen Bauerndörfern hat es regelrechte Stimmeinbrüche gegeben. Wenn man sich da die Wahlergebnisse angeschaut hat, sind einem die Tränen gekommen. Das war 1970 die schwere Niederlage der Volkspartei. Und Kreisky wurde Kanzler.

Standard: Kreisky hat gesagt, dass ihm ein paar Milliarden Schulden mehr weniger schlaflose Nächte bereiten würden als ein paar 100.000 Arbeitslose. Das war seine Erklärung. War das prägend für die österreichische Wirtschaftspolitik?

Taus: Kreisky hat sich mit der Theorie der Wirtschaftspolitik nicht wirklich auseinandergesetzt. Er hat sicher viel gelesen und hat sich interessiert. Dass er intelligent und gebildet war, darüber brauchen wir nicht reden. Ich glaube aber nicht, dass im Vordergrund seiner Tätigkeit die theoretische Ökonomie stand.

Standard: Heute gilt Kreisky als bester Bundeskanzler, den Österreich hatte. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Taus: Er war 13 Jahre Bundeskanzler. Das war kein anderer. Raab war acht Jahre im Amt, Figl acht Jahre, der Klaus sieben Jahre. Schüssel sechs Jahre. Aber 13 Jahre war keiner, auch kein Roter. Wenn sich einer so lange als Kanzler hält, dann ist er eben eine herausragende Figur. Er war erfolgreich, da kann man nicht herum. Dass die SPÖ Kreisky jetzt verklärt, weil sie sich politisch etwas davon verspricht, ist in der Demokratie auch legitim. Aber Figl, Raab und Klaus haben, da gibt's nichts zu rütteln, für unser Land Großes vollbracht.

Standard: Dabei war das Verhältnis zwischen Kreisky und der SPÖ ja nicht immer ganz friktionsfrei. Vor allem nach seinem Ausscheiden aus der Politik.

Taus: 1983 hat er den Parteivorsitz zurückgelegt. So alt war ja gar nicht, aber er war krank. Und dann hat er sich geärgert. Es hat ihm nicht alles gefallen, was in der Partei passiert ist. Da sind Personen etwas geworden, die er nicht gemocht hat. Gestört hat ihn auch, dass die SPÖ in der Koalition das Außenministerium aufgegeben hat. Da gab es viele Geschichten. Wie er da im Spital gelegen ist und nur wenige haben ihn besucht, das hat ihn sehr gekränkt.

Standard: Hatten Sie in der Zeit noch Kontakt mit ihm?

Taus: Ja, ja, wir sind öfter gemeinsam aufgetreten. Aber die letzten drei Jahre seines Lebens ist es ihm richtig schlecht gegangen, da hat er die Geschichte mit der Niere gehabt und offenbar mehrere Schlaganfälle. Er hat viele Konflikte gehabt, mit Hannes Androsch etwa, das hat ihn schon sehr mitgenommen.

Standard: Sie selbst wurden damals als "kalte Knackwurst mit Brille" tituliert ...

Taus: Das war der Busek! Der Erhard hat halt ein schnelles Mundwerk und für einen Gag macht er vieles.

Standard: Hat Sie das gekränkt?

Taus: Er hat ja uns beide damit gemeint. Aber nein, solche Sachen kränken mich nicht. Das muss man sich im Leben abgewöhnen. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 22./23.1.2011)