Abschied vom dunklen, muffigen Alpenbarock im Pseudorustikalstil.

Foto: Hotel Bergland

Helle, funktionale Zimmer.

Foto: Hotel Bergland/Klocker

Vor vier Jahren sagte sich Sigi Grüner, dass es reiche. Dass es keinen Sinn mehr habe, mit teurem Flickwerk weiter zu kleckern: Das "Hotel Bergland", eines der traditionsreichsten Hotels in Sölden, das der heute 41-jährige im Jahr 1999 übernommen hatte, war über die Jahrzehnte zum Koloss gewachsen. Zu einem trägen, unbeweglichen Moloch, der nicht mehr funktionierte: ein Dinosaurier.

In den späten 40er-Jahren eröffnet, war das Haus oft erweitert und vergrößert worden. Es war nicht bloß gewachsen, sondern gewuchert - und stand zuletzt als monströses Doppelhaus ("Haus Sölden" und "Bergland") archetypisch für den identitäts-, geschichts- und gesichtslosen Brutalo-Alpinbarock-Hotelstil.

Ein schwarzes Loch, dem einst DJ Ötzi entstieg

Oben 200 Betten, unten eine Disco, der Ötzi-Keller. Ein schwarzes Loch, dem einst DJ Ötzi entstieg - und in dem pro Saison 70.000 Menschen Geschmack und Geld ließen: Die Disco, heißt es in Sölden, habe mehr eingebracht, als das Hotel - bei viel weniger Aufwand.

Umso überraschter war man, als der fünffache Tiefschneeweltmeister Grüner und seine Frau Elisabeth (sie stammt aus der Ötztaler Seilbahn- und Hoteldynastie Falkner) entschieden, das Haus abzureißen - und neu zu bauen. Ohne Disco.

Der Verzicht auf viel - sehr viel - Geld, erklärt Grüner, sei nicht schwergefallen: "Ich war zwölf Jahre als Skiprofi auf der ganzen Welt unterwegs. Da habe ich erkannt, dass es eine Neuorientierung geben muss, um konkurrenzfähig zu bleiben." Und zwar hin zu Eleganz und Exklusivität - und einer Qualität, die durch die Nachbesserungen und Adaptionen nicht mehr zu schaffen war: "Wir hatten etwa", erinnert sich Grüner, "zum Teil Raumhöhen von 1.90 Meter - und kaum einen Gang ohne Stufen."

Man ließ die Bagger kommen

Also verzichtete man zum Saisonende 2009/10 auf den Großputz - und ließ die Bagger kommen: Binnen sechs Monaten wurde das Hotel komplett abgerissen und neu gebaut. Und zwar so, dass es alle Stückerln spielt, die die neue Gästegeneration erwartet: Wellness im Keller war einmal - wer heute in die Sauna geht, sucht Licht und Ausblick. Auf Keller- und Straßenniveau gehören Skischule und Equipmentverleih: "Der Gast erwartet einen One-Stop-Shop", sagt Grüner.

Und er erwartet helle, funktionale Zimmer in Farben, Designs und Stoffen, die mit der muffigen Enge alter Alpenbunker, dunklen rustikalen (Pseudo-)Massivholzmöbeln und spartanischen Bädern nichts zu tun haben. "Wir haben uns neu erfunden", sagt Grüner - und das zu einem hohen Preis: 14 Millionen Euro. Um die wieder hereinzubringen, riskiert der Hotelier viel - die Liebe der Stammgäste: Preissteigerungen von 30 bis 35 Prozent tun der alten Klientel nämlich weh.

Wachablöse bei den Gästen

Was Grüner nicht sagen kann: Mit dieser Maßnahme beschleunigt er lediglich einen Prozess, der längst eingesetzt hat - nicht nur im Sölden: Traurige Stammgäste, wie jenen grauhaarigen Niederländer, der im Bergland an der Bar jammert, dass es gereicht hätte, neue Betten zu kaufen, wird man in den in den kommenden Jahren auch anderswo finden.

So schreibt etwa der Stubener Markus Kegele in einem Folder seines "Mondschein" wörtlich von zu sanierenden "Altlasten". Kegele meint seine Zimmer, denn die stammen teils aus den 70er-Jahren: Die Parallelen zwischen Grüner und Kegele sind offenkundig - und symptomatisch für viele Alpenhäuser.

Beide Häuser wurden aus Altersgründen übergeben. Aus der großen Zeit der alten Chefs stammt nicht nur die Ausstattung- sondern auch das Stammpublikum. Das bleibt - biologisch bedingt - sukzessive aus. Und die Uppermiddleclass, die - egal woher - nachrückt, ist weitgereist und verwöhnt. Sie kennt andere Standards - und setzt mehr voraus als jene Gäste, die oft seit den Wirtschaftswunderjahren "ihrem" Skihotel die Treue hielten.

Der "brutale Gewaltakt, das in einem Sommer zu stemmen" (Grüner), steht daher einer Vielzahl alpiner Hotels in den kommenden Jahren bevor - denn eine Alternative, glaubt der Söldener Neu-Bauer, gibt es nicht. Das, betont er, habe aber auch sein Gutes: "Unsere Nachbarn haben uns wegen des Umbaus keine Steine in den Weg gelegt - weil jeder weiß, dass er in den nächsten Jahren selbst bauen wird." (Thomas Rottenberg/derStandard.at/21.1.2011)