Nachmittags, halb fünf in Wien. Genauer gesagt am Gürtel. Alles steht. Schon jetzt ist es kein wirklicher Spaß als Pendler nach der Arbeit in das Wiener Umland zu fahren. Stau soweit das Auge reicht. Anstatt dass er aber weniger wird, wird er sich noch weiter ausbreiten. Der Stau. Sollte die Mariahilfer Straße zur Fußgänger- und somit Autofreien Zone werden, wird sich der Verkehr auf sowieso schon überlastete Routen aufteilen. Wie den Gürtel, die Wienzeile oder Gumpendorfer Straße.

Der Verkehr auf der Mariahilfer Straße wäre dann verschwunden. Aber wohin? Vor allem in die unzähligen Seitenstraßen, die ja weiterhin befahren werden dürften. Werden die dann zu Sackgassen? Und wenn ja, wo dreht man um, wenn man als "G'scherter" falsch abgebogen ist und mit dem Fußgängerstrom konfrontiert wird? Auch wenn immer wieder die Kärntner Straße als Paradebeispiel für die Umkehr von Widerstand auf Beifall angeführt wird, was Fußgängerzonen betrifft, hinkt der Vergleich der beiden Einkaufsmeilen doch.

Lädt die Kärntner Straße mit ihren schönen Bauwerken und Sehenswürdigkeiten an beiden Enden zum Schlendern und Flanieren ein, kann man sich nur schwer vorstellen, dass jemand freiwillig auf der Mariahilfer Straße bummeln würde, der keine Erledigungen zu machen hat. Finden sich auf der Kärntner Straße vor allem Edelboutiquen und Geschäfte mit kleinen Sachen fürs große Geld, sind die Läden der Mariahilfer Straße doch eher praktisch veranlagt: Supermärkte, Elektronikhändler oder Möbelhäuser. Und wenn man nicht mehr mit dem Auto zufahren darf, wer transportiert seine Waschmaschine oder das neue Sofa gerne mit der U3 oder dem Bus? Niemand.

Auch die Idee "Shared Space" steht im Raum. Keine Verkehrszeichen, Bodenmarkierungen und absolute Gleichberechtigung von Fußgängern, Rad- und Autofahrern. Also eben das, was tagtäglich auf der Mariahilfer Straße gelebt wird. Schneller als Schritttempo kommt man mit seinem Vehikel sowieso nie voran und die Zebrastreifen und Fußgängerampeln sind jetzt schon eher hübsche Deko, als nützliche Unterstützung. Unachtsam zu sein, kann man sich als Autofahrer nicht leisten. Also warum viel Geld in die Hand nehmen, eine große Diskussion anzetteln, um dann wieder ein schon bestehendes Projekt nur mit neuem Namen versehen? Damit die Bevölkerung das Gefühl hat, dass sich in Wien was bewegt. Obwohl alles steht. (Bianca Blei, derStandard.at, 21.1.2011)