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Hantaviren springen von Mäusen auf Menschen, konkret ist es der Puumala Virus, kurz PUUV, aus der Rötelmaus, der grippeähnliche Symptome, Sehstörungen und Nierenprobleme verursacht.

Foto: APA/Peter Steffen

Sie sehen putzig aus, mit ihren Knopfaugen und ihrem hübschen Fell: Rötelmäuse, Myodes glareolus, einer der häufigsten Kleinsäuger unserer Wälder. Doch mancherorts möchte man sie nicht in seiner Nähe haben. In diesen Gebieten erkranken immer wieder Menschen an einem merkwürdigen Leiden. Auslöser ist ein Erreger aus der Gruppe der Hantaviren, das von den Mäusen übertragene Puumala-Virus, kurz PUUV, benannt nach der finnischen Kleinstadt, wo die Viren 1977 erstmals isoliert wurden. Der Klimawandel würde dieser Seuche Vorschub leisten, heißt es manchmal, Grund zur Angst besteht indes nicht.

In Österreich wurden 2010 genau 25 Fälle registriert, berichtet Stephan Aberle vom Departement für Virologie der Med-Uni Wien. "Es ist eben doch eine seltene Krankheit." Für einzelne Patienten kann sie aber schwer verlaufen, betont der Mediziner. Nach einer Inkubationsdauer von zwei bis vier Wochen bekommt etwa ein Drittel der Infizierten grippeähnliche Symptome mit hohem Fieber. Unter diesen Betroffenen treten bei rund der Hälfte im weiteren Krankheitsverlauf Nierenfunktionsstörungen auf. Vier Prozent braucht dann eine akute Dialyse. Diese Komplikationen sind potenziell gefährlich, Todesfälle kommen vereinzelt vor. Die gute Nachricht: PUUV-Infektionen heilen gut aus. Es gibt keine bleibende Schäden, erläutert Aberle. Ein seltsames Symptom der Krankheit sind die vorübergehenden Sehstörungen, die bei einem von drei klinischen Fällen vorkommen. Sie werden durch ein Anschwellen der Augenlinsen verursacht.

Übertragungswege

Die Rötelmäuse scheiden die Viren mit ihrem Kot und Urin aus. Die Erreger bleiben wahrscheinlich mehrere Wochen lang infektionsfähig. Je kühler und feuchter es ist, desto länger. Der Mensch steckt sich überwiegend durch das Einatmen von Staub mit Virenpartikeln an, etwa in der Natur, aber auch in Scheunen und Hütten, in die M. glareolus gerne eindringt. Knapp 80 Prozent der Infizierten sind Männer. Das mag daran liegen, dass sie häufiger draußen in der Landwirtschaft und im Wald arbeiten oder als Jäger unterwegs sind. Interessanterweise scheinen nach einer finnischen Studie Raucher anfälliger für PUUV-Infektionen zu sein.

Die anscheinend langfristig steigende Zahl der von PUUV verursachten Krankheitsfälle führt Aberle auf die verbesserte Dia-gnostik zurück. Die Dunkelziffer dürfte bei milden Verläufen gleichwohl hoch sein, meint der Fachmann. "Unser Ziel ist, das Krankheitsbild unter den Ärzten noch bekannter zu machen." Das ermögliche eine bessere Behandlung der Symptome. Das Puumala-Virus ist übrigens nicht das einzige humanpathogene Hantavirus, welches in europäischen Nagetieren vorkommt. In Tschechien, der Slowakei und auf dem Balkan wird das gefährlichere Dobrava-Virus von Gelbhalsmäusen übertragen. Etwa zehn Prozent der Patienten sterben daran.

PUUV stellt die Forschung aus epidemiologischer Sicht vor ein Rätsel. Die Infektionsrate kann von Jahr zu Jahr enorm schwanken, und auch regional gibt es erstaunliche Unterschiede. In Finnland etwa variiert die durchschnittliche Erkrankungshäufigkeit je nach Distrikt von weniger als 20 bis mehr als 100 Fälle jährlich pro 100.000 Einwohner. Ähnliches lässt sich in Deutschland beobachten, wo das Virus vor allem in Baden-Württemberg, Westfalen sowie im östlichen Bayerischen Wald auftritt. Auf österreichischem Territorium kommt der Erreger hauptsächlich in Kärnten, der Steiermark und dem südlichen Burgenland vor. Besonders häufig ist er in der Region um Wolfsberg. Dort wurde die bis-lang dichteste Ansammlung von menschlichen Infektionsfällen verzeichnet. Bis zu 50 Prozent der Rötelmäuse dort sind PUUV-Träger. Zum Vergleich: Im niederösterreichischen Ernstbrunn fand sich nur ein einziges infiziertes Tier unter mehreren hundert Artgenossen.

Genetik und Ökologie

Die Ursachen für die lücken-hafte Verbreitung sind ungeklärt. Schließlich kommt die Rötelmaus in ganz Österreich vor und ist auch sonst in Europa fast überall heimisch. Experten vermuten, dass genetische Unterschiede bei sowohl den kleinen Vierbeinern als auch den Viren eine Rolle spielen könnten. Dadurch seien manche Mäusepopulationen anfälliger als andere. Doch die Genetik dürfte kaum allein verantwortlich sein. Ökologische Faktoren wie Landschaftsvegetation, Nahrungsangebot und Räuber-Beute-Verhältnis spielen wahrscheinlich auch eine Rolle. Je mehr Rötelmäuse es gibt, desto öfter kommen Menschen mit PUUV in Kontakt - diese Faustregel lässt sich auf Basis von Beobachtungen aus Skandinavien aufstellen.

Dementsprechend scheint auch das Wetter von zentraler Bedeutung. Im Frühling 2007 schoss in Süddeutschland die Zahl der Puumala-Viruserkrankungen in die Höhe. Der vorangegangene Winter war mild, die saisonale Rötelmäuse-Sterblichkeit dürfte dadurch gering ausgefallen sein. In den Wäldern wimmelte es tatsächlich von den Nagern. Zusätzlich war 2006 für Buchen ein sogenanntes Mastjahr gewesen. Die Bäume hatten überreichlich Bucheckern abgeworfen, für die Mäuse wurde ihr Lebensraum zu einem Schlaraffenland. Beste Bedingungen für ein kräftiges Populationswachstum. Insgesamt verzeichneten die deutschen Gesundheitsbehörden 2007 mehr als 1700 Personen mit PUUV-Infektion. In Österreich kam es mit 78 Fällen zu einem neuen Rekord.

Es muss allerdings noch weitere Faktoren geben. Denn 2010 erfolgte in Deutschland erneut eine starke Zunahme der Erkrankungen, hierzulande blieb der Ausbruch allerdings aus. Warum? Die Forscher wissen es einfach nicht. Es ist ein medizinisch-ökologischer Krimi. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD Printausgabe, 24.1.2011)