"Wiener Blut oder Oper-rette sich wer kann" ist eine Co-Produkton von daskunst und Theater SHOWinisten.

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Hubsi Kramar, geboren 1948 in Scheibbs (NÖ), zählt seit Jahrzehnten als Aktionist, Schauspieler (Bühne und Film) und Regisseur zu den wichtigsten Protagonisten der freien Theaterszene.

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daStandard.at: Herr Kramar, wie ist die Koproduktion "Wiener Blut oder Oper-rette sich wer kann" ihrer Theatergruppe SHOWinisten, mit dem Theater- und Kulturverein "dasKunst" zustande gekommen?

Kramar: Aslı (Kıṣlal, künstlerische Leiterin "dasKunst", Anm. der Red.) kenne ich eigentlich länger und sie ist mir sofort, was Theater anbelangt, als besonderer Mensch aufgefallen, vor allem hat sie diese Art von Feuer für das Theater. Und wir haben eine starke Affinität im Sinne von intelligentem Unterhaltungstheater. Dass wir zwar politisches Theater machen, aber genau wissen, dass es kein Betroffenheitstheater sein darf, sondern nur über die Satire funktionieren kann.

Ich fand auch wirklich spannend, dass die Gruppe von "dasKunst" mit etwas konfrontiert wurde, was sie gar nicht für möglich hielt. Als ich ihnen den Text zur Operette gegeben hab, haben sie das gar nicht geglaubt. Die Operette war ja schon damals Unterhaltungsindustrie, die Hauptaufgabe war das Verdrängen der Wirklichkeit. Und in dem Text ist halt der hochgradige Chauvinismus, dass alle Frauen glücklich sind, wenn sie betrogen werden. Und das ist dann offizielle Hochkultur, wenn heute Leute abgeschoben werden, weil sie sich anpassen, sollen. Woran?

daStandard.at: Was hat Sie dazu bewogen, "Wiener Blut" von Johann Strauß, die traditionelle Operette schlechthin, zu persiflieren?

Kramar: Es ist dieses "Wiener Blut"-Wahlplakat vom Strache gewesen. Bei mir ist es immer der Zorn, der etwas auslöst, da generiert sich in mir etwas. Gut ist, wenn dann noch Dinge dazukommen, die eigentlich sehr komisch sind und Operette ist ja komisch. Wenn man diese schlechte Sprache, diese schlechten Reime, die da vorkommen, diese dummen Geschichten sichtbarer macht, nicht mit wunderschöner Musik zudeckt, sondern einmal herzeigt, was das wirklich ist. Das will ja niemand wissen, die Operettenliebhaber interessiert das überhaupt nicht.

Nur das Brutale an der Geschichte ist halt Sex, Drugs and Rock'n'roll - Wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang, der bleibt ein Narr ein Leben lang - also wer keine Drogen nimmt, wer nicht umeinander vögelt in der Gegend, also alles was eigentlich der kirchlichen Moral und der Moral dieser Zeit damals völlig widerspricht. Und mittendrin die gesellschaftlichen Gegensätze. Wenn man an die Mädchen vom Land denkt, die für nichts gearbeitet haben und von ihren Herren mit Syphilis angesteckt worden sind, weil die waren ja gleichzeitig sexuelles Freiwild. Also der Hintergrund hinter dieser Art von Grausamkeit, die im Vordergrund so happy und fröhlich ist, ist schon eine gewaltige Portion an Stoff.

daStandard.at: Im Original geht es ja um eine Frau, die von ihrem Mann, den sie anfangs als zu spießbürgerlich findet, weil ihm das "Wiener Blut" fehlt, betrogen wird, und sich damit abfindet...

Kramar: Nicht abfindet, sie ist stolz drauf, dass der Mann sie betrügt und zum Don Juan wird!

daStandard.at: ...aber nach einigen Liebeswirren sind alle wieder glücklich und das Ehepaar vereint. Kann man Ihre Version von "Wiener Blut" als Angriff auf das Spießbürgerliche werten?

Ich möchte eigentlich nur etwas verhandeln und sichtbar machen. Für mich ist es wichtig, dass es auch ein Theater gibt, das nicht benutzt wird, um zuzudecken und zu verdrängen. Man könnte ja Operette ganz anders machen, dass trotzdem Dinge sichtbar sind. Wenn so geheuchelt wird wie in der Operette, was verstelle ich damit?

daStandard.at: Bei Ihrer Version von "Wiener-Blut" geht es um die "andersartigen" Schauspieler mit Migrationshintergrund, die ihre Integrationsfähigkeit beweisen müssen und denen die Andersartigkeit u.a. mit einem Walzerkurs und Gesangsstunden ausgetrieben werden soll.

Kramar: Also, wenn man dazugehört, darf man alles machen, aber wer nicht dazugehört, wenn man den irgendwie stigmatisieren kann, dann macht man das sofort. Weil man Ressentiments gegen diese Menschen hat, findet man irgendwas, wo man sie ausschließen kann. Sie kriminalisieren und stigmatisieren als Abschaum, das macht man gern, weil die schuld sind, dass es einem schlecht geht. Und das ist das Problem, dass die Frustration in breiten Bevölkerungsschichten so hoch ist, dass man damit so eine leichte Hetzpolitik machen kann, weil man damit jemanden hat, der noch schlechter dran ist.

daStandard.at: Das Stück spielt ja fiktiv im Jahr 2015 mit einem Bundeskanzler Strache an der Macht und einer strengen Theaterpolizei, die die österreichische Kunst von "fremden Elementen" bereinigen soll. Wie nah dran an der Realität ist diese Fiktion für Sie?

Kramar: Naja, vor Weihnachten war der Strache an erster Stelle im Ranking bei der Bundeskanzlerfrage, das war schon mal eine Bombe. Das heißt, wie schlecht sind die anderen? Das Problem ist ja nicht, dass wir den Strache schimpfen, es wäre falsch ständig auf die hinzuhauen. Es ist ja viel interessanter einen Herrn Pröll und einen Herrn Vranitzky zu hinterfragen und ihre Minister und die Parteigremien, die es möglich machen, dass es so eine schlechte Politik gibt. Es ist wahnsinnig leicht abzulenken und zu sagen der Strache, der Haider, die sind ja nur möglich durch das totale Versagen der anderen.