Sofia - Bulgariens bürgerliche Minderheitsregierung hat erwartungsgemäß die Vertrauensfrage gewonnen. Ministerpräsident Bojko Borissow stellte sie nach eineinhalb Jahren im Amt, um einem Misstrauensvotum wegen eines Abhörskandals zuvorzukommen. Bei der namentlichen Abstimmung am Donnerstag im Parlament wurde die regierende GERB-Partei durch die extrem nationalistische Ataka unterstützt. Die Abstimmung musste nach Protesten zweimal durchgeführt werden.

Die Regierung in Sofia wird seit zwei Wochen von einer Affäre erschüttert, bei der es um angeblich vom Geheimdienst abgehörte Telefongespräche von Kabinettsmitgliedern - auch von Borissow - geht. Aufgrund der Mitschnitte wirft die Opposition der Regierung vor, dass diese "wirtschaftliche Interessen" verteidige, obwohl sie beim Amtsantritt Mitte 2009 einen kompromisslosen Kampf gegen die organisierte Kriminalität und Korruption versprochen hatte. Die Authentizität der in Medien veröffentlichten Mitschnitte ist nicht bewiesen.

"Gesetzeswidriges Material"

Die mit "gesetzeswidrigem Material" hochgespielte Abhöraffäre sei eine Reaktion auf die Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen die Korruption, erklärte Borissow zum Auftakt der achtstündigen Debatte. Für die Regierung stimmten 140 Parlamentarier von GERB-Partei und Ataka. Gegen die Regierung votierten 60 Abgeordnete der Opposition. 14 Volksvertreter antikommunistischer rechter Parteien enthielten sich der Stimme, weil Borissow das AKW-Projekt Belene mit Russland nicht absagen und die einstigen kommunistischen Spitzel im Staatsapparat nicht entlassen wollte.

Die oppositionellen Sozialisten forderten den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen. "Das Votum wird die Skandale in der Regierung und die Verarmung der Menschen nicht stoppen", sagte Sozialisten-Chef und Ex-Ministerpräsident Sergej Stanischew. Er kritisierte, dass die Regierung zudem bei der Vorbereitung des Landes zum Schengen-Beitritt gescheitert sei, da der angestrebte Termin im März 2011 verfehlt wurde.

Ex-König Simeon II. - der auch Regierungschef gewesen war - hatte die unkontrollierten Abhöraktionen in dem neuen EU-Land bereits verurteilt. Medien geben den Bürgern inzwischen Ratschläge, wie man das Abhören von Telefongesprächen vermeiden oder erschweren könnte. Durch die Affäre machen längst vergessene Witze über das massenhafte Belauschen unter dem kommunistischen Diktator Todor Schiwkow wieder die Runde. (APA/dpa)