Das Kartellverfahren gegen Spediteure ist für die Justiz mindestens genauso peinlich wie für die betroffenen Unternehmen. Diese haben offenbar jahrelang zulasten ihrer Kunden Absprachen getroffen. Das schlechte Gewissen scheint sie nicht geplagt zu haben. Schon 1994 haben sie einen ersten Anlauf gestartet, ihr Kartell offiziell anzumelden. Als der zuständige Kartellausschuss das als "bedenklich" einstufte, zogen sie den Antrag zurück, um nur ein Jahr später ein "Bagatellkartell" anzumelden - Absprachen dieser Art sollen so gut wie nicht spürbar sein.

Das Kartellgericht hat diesen Antrag dann zur Kenntnis genommen, eine inhaltliche Prüfung, ob tatsächlich ein Bagatellkartell vorlag, wurde nicht vorgenommen. Und so lagen dann die Unterlagen der Spediteure Jahr für Jahr beim Kartellgericht, ohne dass irgendjemand auf die Idee gekommen wäre, das Ganze näher unter die Lupe zu nehmen. Erst als sich ein Kronzeuge fand, der bei der Bundeswettbewerbsbehörde auspackte, kam die Sache ins Rollen. Nun muss sich das Kartellgericht im Jahr 2011 ansehen, wie das Kartellgericht im Jahr 1995 entschieden hat.

Der Umgang mit der Causa ist typisch für das österreichische Wettbewerbsrecht. Auch nach dem EU-Beitritt fand man es nicht der Mühe wert, alle Regelungen auf EU-Niveau umzustellen. Noch immer gibt es das Spezifikum "Bagatellkartell" - ebenso Ausnahmen für den landwirtschaftlichen Bereich und die Buchpreisbindung. (Günther Oswald, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.01.2011)