Über 4000 Anrufe gehen täglich in der Notrufzentrale der Wiener Polizei ein.

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Die Polizisten der Leitstelle sind weder beim CSI, noch "Wunderwuzzis".

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In Vollmondnächten melden sich oft Leute mit Gesprächsbedarf an den Notruf.

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"Echte Helden holen Hilfe. Europaweit mit 112." Mit diesem Slogan und einer Plakat- und Fernsehkampagne will die Polizei auf den Euronotruf aufmerksam machen. Diese Notrufnummer ist europaweit einheitlich - in der Bundeshauptstadt wird man mit der Landesleitzentrale der Wiener Polizei verbunden. Dabei sei das Konzept einer einheitlichen Notrufnummer aber noch nicht ausgereift, sagt Manfred Reinthaler vom Pressedienst. 

"Wenn dem Anrufer schon vorher klar ist, dass sein Notfall einen Einsatz der Rettung oder Feuerwehr braucht, dann ist es besser, er wählt gleich die jeweilige Notrufnummer", sagt Reinthaler. Die Mitarbeiter der Landesleitzentrale würden den Notruf auch nur weiterleiten können und dann "muss der Anrufer seine Geschichte zweimal erzählen und verliert womöglich unnötig viel Zeit."

Nutzung steigt

Dass die Euronotrufnummer aber dennoch immer wieder gewählt wird, zeigt die Statistik des Forum Mobilkommunikation über das dritte Quartal 2010. Österreichweit entfallen demnach über 21 Prozent aller Mobilfunk-Notrufe auf die Nummer 112. Die Polizei-Nummer 133 hält nur einen Anteil von 14 Prozent. 

Insgesamt 89 Polizisten versehen ihren Dienst in der Notrufzentrale am Schottenring, wobei immer vier Beamte gleichzeitig die Anrufe entgegennehmen. Zu Stoßzeiten, wie in der Früh oder am Nachmittag, können aber bis zu acht Polizisten im Einsatz sein. 

Spezielle sprachliche Fähigkeiten braucht man für den Dienst in der Zentrale laut Reinthaler nicht: "Wir können von den Beamten ja nicht erwarten, dass sie alle Fremdsprachen können." Die meisten würden sich zumindest auf Englisch verständigen können. Da aber vor allem ältere Polizisten mit ausreichender Erfahrung beim Notruf angenommen werden, gebe es schon eine Bildungslücke. "Junge Kollegen haben in der Schule schon von Haus aus Englischunterricht bekommen", so Reinthaler.

Unabsichtliche Anrufe

Auch die Bevölkerung würde glauben, dass beim Euro-Notruf nur sprachliche Genies und "Wunderwuzzis" sitzen, erzählt Michael Srtschin von der Leitstelle während seines Dienstes. "Die stellen sich dann vor, dass das bei uns wie bei CSI abläuft, mit Touchscreen und vollem Datenzugriff", sagt er und meldet sich gleich darauf mit: "Polizeinotruf, guten Tag" am Telefon. Es ist ein kurzes Rauschen zu hören. Dann legt der Beamte mit den Worten "Da war wieder wer am Klo" auf. 

Immer wieder komme es vor, dass Personen unabsichtlich den Notruf betätigen - sei es, weil sie sich auf ihr Handy setzen oder eine zu enge Hosentasche haben. "Viele vergessen, dass man 112 auch ohne SIM-Karte wählen kann, geben dann ihre alten Handys den Kindern zu spielen und die rufen dann bei uns an", sagt Srtschin.

Personalnot

Diese Fehlanrufe fließen aber auch in die Statistik: Durchschnittlich 4052 Notrufe kamen im Jahr 2010 täglich bei der Leitstelle in Wien an. Daraus resultierten aber nur 1166 Einsätze. Die große Zahl an Anrufen müsse laut Srtschin "erst einmal bewältigt werden". Zusätzlich sei die Landesleitzentrale auch noch chronisch unterbesetzt: "Jeder Beamte, den Sie hier sehen, macht im Schnitt bis zu 100 Überstunden im Monat."

Aber nicht nur unabsichtliche Anrufe und zu wenig Personal würden wirkliche Notrufe verzögern, sondern auch gezielter Missbrauch. "Manche Leute rufen nur an, um uns zu beschimpfen", erzählt Srtschin und ein Kollege fügt hinzu:" Oder es melden sich Kinder und Jugendliche, die sogenannte Mutproben bestehen müssen und uns einen falschen Notfall erzählen."

Die gute, alte Festnetzzeit

Der Offizier vom Dienst, Franz Bigl, glaubt, dass der Missbrauch durch die Nutzung von Mobiltelefonen stark angestiegen ist: "Früher hatten wir eine Fangtaste. Wenn jemand bei uns angerufen hat, um lustig zu sein, haben wir die gedrückt und egal wohin er telefonieren wollte, er ist immer wieder bei uns gelandet."

Ein weiteres Problem sei laut Reinthaler, dass der polizeiliche Notruf vom "Missbrauch von Notzeichen" ausgenommen ist. Das bedeutet, dass eine Falschmeldung zwar bei Feuerwehr und Rettungsdienst zu einer Strafe und gerichtlichen Verfolgung führen kann, der Polizei aber die Hände gebunden sind. Nur wenn jemand wirklich tausendmal innerhalb einer Woche anrufen würde, würde man das Fernmeldebüro einschalten und Anzeige nach dem Telekommunikationsgesetz erstatten.

Vollmondnächte

Besonders arbeitsintensiv seien die Nächte rund um den Vollmond. "Da rufen vor allem Leute an, die Redebedarf haben", erzählt ein Beamter der Leitstelle. "Erst vor kurzem hatte ich einen Notruf, weil ein Herr der Meinung war, dass ihn die Spitze des Stephansdoms durchbohrt hat." Der Anrufer habe aber ganz ruhig und sehr gewählt gesprochen. Nachdem er im Gespräch mit dem Beamten zugegeben hatte, dass er an dem Tag seine Tabletten noch nicht eingenommen habe, wünschte er eine Gute Nacht und legte auf. "Das ist noch einmal gut gegangen. Nur bei manchen weiß man ja nicht, ob nicht wirklich etwas passiert."

Um auch im Zweifelsfall eine Funkstreife zu den Anrufern schicken zu können, haben die Beamten die Möglichkeit einer Stammdatenabfrage (bei Festnetzanschlüssen) oder einer Standortpeilung (Mobiltelefonen). Prinzipiell ließen sich keine Spitzen im Jahresverlauf erkennen, was die Häufigkeit der getätigten Notrufe betrifft. Man könne aber laut Reinthaler erkennen, dass ab dem 26. Dezember die Delikte bei häuslicher Gewalt ansteigen: "Da sind die Leute dann schon mindestens zwei Tage zu Hause und halten es oft nicht mehr aus." (Bianca Blei, derStandard.at, 20.1.2011)

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