Eine Erhöhung der Öffi-Tarife für manche Bevölkerungsgruppen ist laut Maria Vassilakou vorstellbar. Verbesserungen soll es für Vielfahrer, Studierende und Kinder geben.

Foto: Der Standard/Urban

"Ich will eine Stadt, in der man gut lebt und die nicht krank macht - durch Lärm und schlechte Luft."

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"Ich muss und werde mit vielen Projekten aus der Vergangenheit leben müssen. Das gehört dazu, wenn man ein Ressort übernimmt."

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Standard: Vor ihrer Regierungsbeteiligung bezeichneten die Grünen den neuen Bahnhof Wien-Mitte als "größten städtebaulichen Unsinn". Als Planungsstadträtin können Sie mit diesem Projekt plötzlich leben?

Vassilakou: Ich muss und werde mit vielen Projekten aus der Vergangenheit leben müssen. Das gehört dazu, wenn man ein Ressort übernimmt. Mein Bestreben ist es, bei neuen Planungen für die grüne Handschrift zu sorgen.

Standard: Sie denken also an keine Nachbesserungen bei den in Bau befindlichen Bahnhöfen?

Vassilakou: Dort wo die eine oder andere Änderung möglich ist, werden wir auch zusehen, dass wir sie angehen - das gilt für alle Projekte. Meine Aufgabe ist es aber vor allem, in die Zukunft zu blicken und die ungeheuren Potentiale von Projekten zu sehen, die jetzt auf uns zukommen.

Standard: Die da wären?

Vassilakou: Von Aspern über den Franz-Josefs-Bahnhof und Rothneusiedl bis zu den ganzen Kasernenarealen des Bundes. Wir wollen hier sicherstellen, dass wir Schwerpunkte in der Planung setzen und auch umsetzen - Energieeffizienz, sanfter Verkehr, Grünraum, Freiflächen.

Standard: Sie versprechen also jede Menge neue Parks?

Vassilakou: Die Reduzierung auf Parks ist mir zu eng. Aber ich verspreche auf alle Fälle neue Freiräume. Das kann genauso eine Piazza sein, für die eine Straßenkreuzung beruhigt wurde.

Standard: Und die Mariahilfer Straße wird autofrei?

Vassilakou: Für mich hat die Verkehrsberuhigung der Mariahilfer Straße absolute Priorität. Jetzt muss ein Verkehrskonzept entwickelt werden. Denn es gibt mehrere Möglichkeiten - eine reine Fußgängerzone, eine Nutzung durch Fußgänger und Radfahrer oder ein Shared-Space-Modell. Eine Umsetzung wird frühestens 2013 erfolgen können.

Standard: Sie wünschen sich auf dem Areal zwischen Franz-Josefs-Bahnhof und alter WU einen schönen neuen Stadtteil. Dass die ÖBB - die bekanntlich nicht gerade im Geld schwimmen - da kräftig investieren, ist unwahrscheinlich.

Vassilakou: Die Gespräche mit den ÖBB laufen - und wir werden sehen, zu welchem Ergebnis wir kommen. Die ÖBB haben jedenfalls ein Interesse an der Aufwertung ihres Besitzes. Ich verhehle nicht, dass ich die Hoffnung hege, die Platte abzureißen.

Standard: Will sich Niederösterreich am Projekt beteiligen? Schließlich ist die Franz-Josefs-Bahn vor allem für Pendler wichtig.

Vassilakou: Ich habe mehrfach betont, dass es gilt, Niederösterreich stärker in die Pflicht zu nehmen. Die Gespräche zur Verkehrspolitik stehen aber noch aus. Es liegt da auch ein spannender Antrag der Wiener ÖVP vor. Sie will einen gemeinsamen Verkehrsausschuss für Wien und Niederösterreich ins Leben rufen. Ich freue mich, wenn Niederösterreich dem zustimmt. Dann hätten wir ein Gremium, in dem wir die Pendlerproblematik auf höchster politischer Ebene diskutieren können.

Standard: Für Finanzstadträtin Renate Brauner hat die Verlängerung der U1 nach Rothneusiedl keine Priorität mehr. Gibt's im Gegenzug eine Chance, dass die U2 künftig doch noch den Hauptbahnhof kreuzt?

Vassilakou: Die Verlegung der U2 zum Hauptbahnhof wurde eingehend geprüft. Sie wäre unglaublich kostspielig und würde sehr lange dauern. Ich bin überzeugt, dass die Anbindung durch U1, mehrere Straßenbahnen, Schnellbahn- und Autobuslinien sich als ausreichend erweisen wird.

Standard: Rothneusiedl könnte ein neues grünes Stadtviertel werden. Ist Ihnen die Entwicklung dieses Gebietes ein Herzensanliegen?

Vassilakou: Es ist verlockend für Politiker, sich mittels eines neuen Stadtteils zu verwirklichen. Dabei verkennt man, wie viel Ressourcen das bindet - während das, was im alten Bestand der Stadt angegangen werden müsste, als zweite Priorität angesehen wird. Diesen Fehler will ich nicht machen. Ich will eine Gesamtstrategie für Wien umsetzen.

Standard: Wie sieht diese aus?

Vassilakou: Ich will eine Stadt, in der man gut lebt und die nicht krank macht - durch Lärm und schlechte Luft. Eine Stadt, die neue Trends aufgreift, etwa City-Farming. Da könnten einige Leitprojekte entstehen - als Wohnprojekte mit integrierten Landwirtschaftsflächen, etwa auf alten Kasernenarealen.

Standard: Diese Flächen würde die Stadt dem Bund abkaufen?

Vassilakou: Oder ein Investor - und die Stadt entwickelt das Gebiet mit ihm gemeinsam.

Standard: Die SPÖ schließt nicht aus, dass die Öffi-Benutzung für manche Fahrgastgruppen teurer wird. Sie haben im Wahlkampf billigere Öffis für alle gefordert.

Vassilakou: Aktuell geht es darum, dass die Öffis für möglichst große Gruppen leistbarer werden.

Standard: Und für andere teurer?

Vassilakou: Kommt darauf an, für welche - aber: ja. Verbesserungen muss es für Vielfahrer und finanziell schwächere Gruppen geben: Jahreskartenbesitzer, Kinder und Studierende.

Standard: Sie haben bald eine Mega-Baustelle zu bewältigen: Die Sanierung der Südosttangente. Wie wollen Sie die Autofahrer, die täglich im Stau stecken werden, besänftigen?

Vassilakou: Die ÖBB sollten ihr Angebot dieser Situation anpassen. Ein gutes Zeichen wäre auch, wenn die Fahrradmitnahme kostenlos wäre. Wir werden jedenfalls ein Verkehrskonzept präsentieren und auf Ausweichrouten hinweisen. Man kann diese Sanierungszeit wie die Euro-Zeit betrachten. Da haben wir tausende Pendler ersucht, auf das Auto zu verzichten. Und es hat funktioniert.

Standard: Die Behinderungen auf der Tangente dauern allerdings länger.

Vassilakou: Möglicherweise kommen aber in der Zeit viele drauf, dass eine andere Form der Mobilität mehr Sinn macht. (Martina Stemmer, Petra Stuiber, DER STANDARD, Printausgabe, 20.1.2011)