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Der Besucher einer Gun Show kutschiert seine neueste Errungenschaft nach Hause.

Foto: AP/dapd/Ross D. Franklin

Eine Gun Show in Woodstock, Virginia: Vom Attentat von Tucson ist dort nichts zu spüren, Verkäufer verzeichnen gute Einnahmen. Auch im Kongress in Washington stellt kaum jemand die liberalen US-Waffengesetze infrage.

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Die Glocks sind nicht zu übersehen. Vier verschiedene Modelle liegen auf dem Verkaufsthekenglas, zwischen den Walthers und den Berettas. Mit Plastikband festgezurrt auf dazugehörigen Köfferchen, wie man sie als Behälter für Bohrmaschinen kennt.

Es gibt die Glock 17, die 21, die 22, die 36, "Made in Austria", leicht zu zerlegen, zuverlässig, ohne Schnickschnack, wie auf kleinen Zetteln steht. Mit einer halbautomatischen Pistole vom Typ Glock hat Jared Loughner in Tucson ein Blutbad angerichtet. Das verlängerte Magazin, das er dabei benutzte, gefüllt mit 33 Patronen, das wird hier auch zum Verkauf angeboten.

Daneben künden bunte Aufkleber vom Selbstverständnis der Waffennarren. "Fight crime. Shoot back" - das Verbrechen bekämpft man, indem man zurückschießt. "Freedom wasn't won with a registered gun" - noch so eine Standardparole.

Hätten die Rebellen des Unabhängigkeitskrieges ihre Flinten erst angemeldet, es wäre nie etwas geworden mit dem Aufstand gegen die Briten. Dann ist da noch die Verfassung, und die liegt beim alten Ralph auf dem Tisch. Dort steht, im zweiten Zusatzartikel, dass jeder Amerikaner das Recht hat, eine Waffe zu tragen.

"Hör mal, wir sind gut gefahren damit. Wir sind das einzige freie Land der Welt", ruft Ralph, ein ergrauter Vietnamkriegsveteran. Schärfere Kontrollen? "Um Himmels willen, das darf die Regierung nicht. Dann wäre es um unsere Freiheit geschehen."

Viermal im Jahr organisiert Richard Miller, ein Waffenhändler, die Virginia Gun & Knife Show. Die erste geht im Januar in Woodstock über die Bühne - nicht im Woodstock der Blumenkinder, oben bei New York, sondern in Woodstock, Virginia, einem verschlafenen Nest in den Ausläufern der Appalachen.

Keiner kam auf die Idee, den Basar wegen des Attentats mit sechs Toten und 14 Verletzten in Tucson abzublasen. In einer Ecke der Wellblechbaracke hängt das obligatorische Sternenbanner, jemand schiebt dampfende Hotdogs über den Tresen. Schon am Eingang wirbt die mächtige Waffenlobby, die National Rifle Association (NRA), um neue Mitglieder. Wer ihr heute beitritt, erspart sich die sechs Dollar Eintrittspreis zur Gun Show.

"Laufen nicht schlecht, die Geschäfte", freut sich Bill, der für eine Firma namens Historic Arms Corporation hinterm Ladentisch steht. Pro Jahr fünf Prozent Umsatzplus. Ein TV-Video zeigt Trümmerstädte, die Army bei der Befreiung Europas, auf einem durchlöcherten Ortsschild steht der Name Aachen. "Schauen Sie hier, die gute alte Thompson, Baujahr 1928." Mit Kennermiene deutet Bill auf eine betagte Maschinenpistole. "Wer die heute kauft, kann in fünf Jahren das Doppelte dafür verlangen. Investmentwaffen, tausendmal besser als jede Geldanlage."

32.000 Dollar für eine Waffe

Bills Blickfang ist eine vollautomatische Browning, 32.000 Dollar teuer. Routiniert gibt er Kundendaten ein und wartet, bis der Laptop Ergebnisse meldet. Der obligatorische "background check": Man darf nicht vorbestraft sein, nicht als geistig gestört geführt werden, dann steht dem Kauf eines Gewehrs nichts im Wege. Wer wie Loughner schizophren ist, aber in keiner Kartei erfasst, wird ebenfalls bedient.

Business as usual in Woodstock - wie auch im Kongress in Washington. Dort hat der Senator Frank Lautenberg vorgeschlagen, die extralangen Magazine aus dem Verkehr zu ziehen. "33 Patronen in einer Pistole, keiner braucht das", protestiert er. "Höchstens, um in kurzer Zeit möglichst viele Menschen umzubringen."

1994 ließ Bill Clinton solche Magazine verbieten. 2004 lief der Bann aus, ohne verlängert zu werden. Diesmal steht Lautenberg recht allein auf weiter Flur. Sein Parteifreund Harry Reid, Fraktionschef der Demokraten im Senat, ist selbst Waffenfan. Präsident Barack Obama hütet sich davor, die bestens vernetzte NRA gegen sich aufzubringen, es könnte Wählerstimmen in der Mitte kosten.

Vor zwei Jahren war das noch anders. Der Neue im Weißen Haus, fürchtete die Flintenlobby, würde bald die Paragrafen verschärfen. Torschlusspanik setzte ein, man hamsterte, was das Zeug hielt. Der Preis für eine Pistolenpatrone schnellte nach oben, von 25 Cent auf einen Dollar. Jetzt liegt er wieder bei 23 Cent, niedriger als zuletzt unter George W. Bush.  (Frank Herrmann aus Woodstock/DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2011)