Der Verteidigungsminister hat im Alleingang ein viel diskutiertes Modell eines kleinen Berufsheeres samt Freiwilligenmiliz unter Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht vorgestellt, das er nach eigenen Angaben offenbar im Nachhinein einem Referendum unterziehen möchte - so er dafür das Placet des Koalitionspartners erhält (was unwahrscheinlich genug ist).

Noch im Herbst klang der Wunsch nach Volkes Stimme am Stubenring etwas anders: Da wurde vor der politischen Grundsatzentscheidung eine Volksbefragung über die Wehrpflicht und ein allfälligen Berufsheeres angedacht. Offenkundig ging Darabos damals wie heute von falschen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen aus, meinte er doch im Herbst, eine Volksbefragung sei zwar "anders als eine Volksabstimmung nicht bindend", wohl aber würde sich er persönlich in seiner Entscheidung über die Zukunft des Heers daran gebunden fühlen. Der damalige Irrglaube bestand in der (tatsächlich nicht gegebenen) Verbindlichkeit der Volksabstimmung, der heutige in der Illusion, ein über den Tisch gezogener Partner würde der Reform im Parlament freudig zustimmen bzw. der Reform nachwiehern.

Grenzen des Plebiszits

Es scheint jedenfalls, dass in der Bundesheer-Debatte die Eignung direktdemokratischer Instrumente in einer Fachfrage überschätzt wird, in der es schließlich darum geht, fundierte strategische Entscheidungen von großer wehrpolitischer und letztlich gesamtwirtschaftlicher Tragweite zu treffen:

Vergessen oder ignoriert wird dabei zunächst, dass wesentliche Organisationsprinzipien des Bundesheeres in der Wehrverfassung selbst und zum Gutteil sogar direkt im B-VG geregelt sind. Nach Art 9a Abs 3 B-VG ist jeder männliche Staatsbürger wehrpflichtig. Freiwillig können Frauen dem Heer angehören und sie haben, wie es sehr uncharmant in der Verfassung heißt, das Recht, den Dienst zu beenden. Gemäß Art 79 Abs 1 B-VG ist das Bundesheer primär für die Landesverteidigung zuständig und nach dem Milizsystem einzurichten. Weitere Aufgaben ergeben sich aus dem BVG über Kooperation und Solidarität bei Auslandseinsätzen, und aus dem in Art 23f B-VG vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren bei Erfüllung dieser Aufgaben. Die Abschaffung der Wehrpflicht oder des Milizsystems bedeutet daher ebenso eine tief greifende Verfassungsänderung wie die Neudefinition der Aufgaben des Heeres.

Tatsache ist: Eine fakultative Volksabstimmung darf nur über den Text einer vom Parlament im Entwurf bereits beschlossenen Verfassungsänderung durchgeführt werden. Die Fragestellung kann daher formal nur darauf zielen, ob das neue Wehr-Bundesverfassungsgesetz Wirksamkeit oder "Gesetzeskraft" erlangen soll. Das Problem bei der fakultativen Volksabstimmung ist aber, dass diese in ihrem Ausgang zwar für die konkrete Verfassungsnovelle maßgeblich ist, weil erst des Volkes Stimme der Novelle Gesetzeskraft verleihen kann. Der Ausgang der Abstimmung ist aber, wie bereits erwähnt, für den Bundesverfassungsgesetzgeber keineswegs bindend, d. h. dieser könnte einen Tag nach Abschaffung durch das Referendum wieder die allgemeine Wehrpflicht, das Milizheer und die bisherige Aufgabenverteilung des Bundesheeres einführen. Daher fragt es sich, ob es überhaupt Sinn macht, das Volk entscheiden zu lassen.

Ich persönlich halte wenig bis nichts davon. Dagegen spricht auch rechtspolitisch, dass die angesprochenen Fragen nur einen Teil der Bevölkerung betreffen. Nicht alle Staatsbürger sind Wehrexperten. Es fragt sich also, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn - nach gründlicher Analyse mehrerer Modelle, darunter auch jenem der Beibehaltung der Wehrpflicht und des Ersatzdienstes - die (Verfassungsmehrheit der) dafür zuständigen Abgeordneten über eine allfällige Reform befinden. Denn mit der Volksabstimmung, ist nichts gewonnen, außer dass viele Staatsbürger/innen (den Autor eingeschlossen) zu 90 Prozent für die Lösung der gegenständlichen Frage nicht kompetent genug sind, um über Gedeih und Verderb einer Verfassungsnovelle befinden dürften, von der das Schicksal unseres Heeres und damit eines Tages vielleicht auch unseres Landes abhängt. Am Ende des (Abstimmungs-)Tages bliebe dann nur mehr Populismus übrig statt jene Art der Demokratie und Legislative, wie sie unsere Verfassung vorsieht.(Gerhard Strejcek, DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2011)