Wien - Die ÖVP zeigt sich zur SPÖ-Forderung nach Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht verhandlungsbereit, will aber vor einer Entscheidung die neue Sicherheitsdoktrin klären. Man werde in offene Gespräche mit dem Koalitionspartner treten, erwarte aber auch von der SPÖ, dass sie dabei "keine Tabus" aufstelle, sagte Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) am Dienstag vor dem Ministerrat. Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) betonte, dass vor einer Entscheidung über die künftige Struktur des Bundesheeres die neue Sicherheitsdoktrin erstellt werden soll.

"Wir gehen in die Verhandlungen mit dem Ziel, eine gemeinsame Lösung zu finden", sagte Fekter vor der Regierungssitzung, die wegen des Begräbnisses von Peter Kreisky am Vormittag mit einer Stunde Verspätung begann. Aus Sicht der ÖVP werde man am Ende der Verhandlungen aber die Wehrpflicht "wahrscheinlich beibehalten", so die Innenministerin.

Ähnlich Spindelegger, der betonte, dass die ÖVP derzeit keinen Anlass für ein Abgehen von der Wehrpflicht sehe. Die ÖVP will daher ihre Vorstellung von einer "Wehrpflicht neu" in die Gespräche einbringen. Wenn man in Gespräche offen hineingehe, dürfe man das jedoch nicht mit Grundvoraussetzungen tun, zeigte sich der Außenminister in alle Richtungen offen. Dies gelte freilich auch für die SPÖ, daher könne es in den Verhandlungen nicht nur um die Frage "Darabos-Modell ja oder nein" gehen.

"Das beste für Österreich"

Für Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) ist allerdings "aus heutiger Sicht nicht vorstellbar", dass die Wehrpflicht am Ende der Verhandlungen bestehen bleibt. Er habe sein Modell gut vorbereitet und gehe daher davon aus, dass es "wirklich das beste für Österreich" sei. "Entweder man entscheidet sich für die Wehrpflicht oder man entscheidet sich für das Modell, dass ich vorgelegt habe. Viel Spielraum sehe ich hier nicht", so Darabos. Bis zum Sommer habe man aber noch genug Zeit, mit dem Koalitionspartner Meinungen auszutauschen.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) rechnet damit, dass die Wehrpflichtsfrage noch 2011 geklärt wird: "Ich gehe davon aus, dass wir in einem Jahr die Wehrpflicht in einer ausgesetzten Form haben werden."

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist zuversichtlich, "in den nächsten Monaten" eine Entscheidung über die Frage der Abschaffung der Wehrpflicht herbeiführen zu können. Zuerst soll demnach eine neue Sicherheitsdoktrin besprochen werden. Wenn man wisse, welche Ziele man erfüllen wolle, wäre eine Einigung über die Organisationsform möglich. Klar machte Faymann im Pressefoyer nach dem Ministerrat allerdings, dass er weiterhin gegen die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht ist.

"Nahezu keine Differenzen"

"Eine Beibehaltung der Wehrpflicht halte ich nicht für zeitgemäß", betonte Faymann. Ob am Ende der Gespräche der Koalitionspartner auch ein Abweichen vom am Montag präsentierten SPÖ-Modell eines Berufs- und Freiwilligenheeres stehen könnte, wollte er nicht sagen. Zuerst werde die SPÖ ihr präferiertes Modell in einer offenen Diskussion mit dem Koalitionspartner vertreten. Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) habe dabei gute Chancen "überzeugend zu wirken". Im Zusammenhang mit der Sicherheitsdoktrin sieht Faymann ohnehin "nahezu keine Differenzen" mit der ÖVP.

Nicht festlegen wollte sich Faymann auch auf einen Zeitpunkt für eine mögliche Volksbefragung oder Volksabstimmung über die Wehrpflicht. Nicht abhängig machen möchte der SP-Chef die Aussetzung der Wehrpflicht allerdings von der Frage, wie der Zivildienst künftig organisiert werden kann. "Das eine Thema nimmt nicht das andere in Geiselhaft", betonte der Bundeskanzler. Gelassen nimmt der Kanzler die Tatsache, dass der sozialdemokratische Wehrsprecher im Nationalrat Stefan Prähauser weiterhin für die Beibehaltung des Präsenzdienstes eintritt. Prähauser habe eine "klare Präferenz". Er habe aber selbst mit den Abgeordneten gesprochen und sehe diesen auch aufgeschlossen für alle anderen Diskussionen. Wer in der SPÖ Verantwortung habe, könne auch eine andere Meinung haben. "Es ist nicht mein Ehrgeiz dafür zu sorgen, dass alle, wenn sie gefragt werden, das gleiche Wording haben", betonte Faymann. Ihm gehe es darum, dass die Partei eine gemeinsame Linie habe und die habe sie. (APA)