Die staatlichen Datenschätze sollen für Web-Angebote öffentlich gemacht werden, so die EU-Kommission.

Foto: DER STANDARD/R. Hendrich

Standard: Sie sind der Meinung, dass in Österreich mit öffentlichen Daten zu rigide umgegangen wird?

Futter: Ja. Seit Ende der 80er-Jahre gibt es Bemühungen in der EU, einen fairen und offenen Umgang mit öffentlichen Daten zu finden. 2003 wurde von der EU diesbe-züglich eine Richtlinie, die sogenannte Public Sector Information (PSI), erlassen. Diese wurde in Österreich auch - legistisch sehr brav - in das IWG, das Informationsweiterverwendungsgesetz, umgesetzt. Trotzdem ist nicht viel passiert. Es gab - basierend auf dem IWG - etliche Anfragen der Wirtschaftskammer an öffentliche Stellen. Auch hat der Compass-Verlag einige Anträge gestellt, die de facto alle abgelehnt wurden. Wir haben in den meisten Fällen zur Schlichtung dann ein Schiedsverfahren angeregt. Passiert ist nichts. Und eine Verpflichtung zur Herausgabe der Daten gibt es leider nicht.

Standard: Welche Art von Daten hat man sich da vorzustellen?

Futter: Alle möglichen! Der Staat verfügt über unzählige Informationen und Informationssammlungen. Das sind z. B. die öffentlichen Register wie Firmenbuch, Grundbuch und Kataster, Gewerberegister etc., aber auch kulturelle Informationen, riesige Schätze an historischen Daten - die zum Teil noch einer Digitalisierung bedürften. Daten der Statistik Austria wie Mikrozensus, Volkszählungen, Umweltdaten. Weiter geht es mit Verkehrsdaten und Wetterdaten ... Andere Länder haben da viel gemacht, und es kam zu einer Fülle von Firmengründungen. Wenn die Menschen auf diese Daten zugreifen können, entstehen neue Produkte und Jobs.

Standard: Aber sind das nicht Daten, die nicht öffentlich gemacht werden sollten?

Futter: Keineswegs: England, Spanien haben ihre Katasterinformationen zur Verwertung freigegeben. Großbritannien hat ein Office for Public Sector Information gegründet. US-Präsident Barack Obama hat mit einer "Open Governmental Data"-Initiative eine wahre Lawine an Firmen und Produkten ausgelöst. Als Tim Berners-Lee, der "Vater" des Web, den ehemaligen britischen Premier Gordon Brown traf und der ihn fragte, was er zur Wirtschaftsankurbelung vorschlagen würde, hat Berners-Lee gesagt: "Geben Sie Ihre Daten frei."

Standard: Die EU-Agrarzahlungsdatenbanken wurden auf richterliches Geheiß vom Netz genommen. Weil sich die Veröffentlichung mit Personenschutz spießt.

Futter: Es geht keineswegs um Personendaten. Es geht auch nicht um Bereiche, die zur Geheimhaltung angehalten sind. Ein Beispiel: Wir führen im Compass-Verlag eine Firmendatenbank. Diese wollten wir mit Daten des Patentamts verknüpfen. Das ergäbe interessante, wertvolle Informationen: Welche Firma ist im Besitz welcher Marken? Es war zuerst nicht möglich und in weiterer Folge erst nach langen Verhandlungen. Natürlich ist die sklavische Trennung von persönlichen mit anderen öffentlichen Daten nicht bei allen Registern möglich, so sind z. B. im Firmenbuch zwangsläufig Personendaten enthalten, die aber wiederum verpflichtend öffentlich zu machen sind. Aber am Ende stellt sich schon die Frage: Wollen wir alles Google überlassen? Besteht unsere Internet-Aktivität darin, dass wir unsere Häuser verpixeln, die Google aufgenommen hat? - In Zeiten von Wikileaks wird doch eh alles öffentlich.

Standard: Österreich ist doch sehr gut in Sachen E-Government. Also der elektronischen Verwaltung. Da existiert doch eine Fülle von Anwendungen und Angeboten.

Futter: Ja, das ist gut gemacht. Viele Ämter sind nicht so umständlich wie früher. Aber die Realität hat sie überholt. Es genügt nicht mehr, eine Webseite anzubieten und Online-Behördenwege.

Standard: Was wäre ein guter erster Schritt?

Futter: Die Kommission hat die Mitgliedsstaaten aufgefordert, Portale einzurichten. In Großbritannien gibt es das bereits: Da gibt es ein zentrales Webportal, wo jede öffentliche Stelle ihre Daten in einer Metastruktur beschreibt. Das kann man sich online ansehen, eine Lizenz für die Datennutzung ziehen und dann die Daten eventuell auch gleich runterladen und nutzen. So etwas bräuchten wir auch. (Regine Hendrich, DER STANDARD/Printausgabe, 18.1.2011)

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