Straßburg/Brüssel - Die Europäische Kommission hat mehrere kritische Punkte in dem umstrittenen neuen ungarischen Mediengesetz ausgemacht. Auf Basis einer vorläufigen Untersuchung seien bei den Behörden Aspekte angesprochen worden, wonach das Gesetz "nicht auf den ersten Blick zufriedenstellend" erscheine, erklärte die für digitale Medien zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes anlässlich einer Anhörung des Europaparlaments am Montagabend in Straßburg. So sei es mit Blickrichtung auf EU-Recht problematisch, dass das Gesetz auch Medienfirmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten erfasse. Regulierung sei aber nur jeweils im Heimatland vorgesehen.

Unverhältnismäßige Regulierung der Meinungsfreiheit

Bestimmungen des Gesetzes zur Ausgewogenheit von Informationen, die für den Rundfunk nicht unüblich seien, sollten etwa auch auf Video-Blogger ausgeweitet werden, erläuterte Kroes. Sie habe mündlich Bedenken angemeldet, dass begrenzende Kriterien fehlten. Dies könne zu einer unverhältnismäßigen Regulierung der Meinungsfreiheit führen. Der angekündigte abschließende Untersuchungsbericht solle so schnell wie möglich vorgelegt werden.

Die EU-Kommissarin betonte, sie sei überzeugt, dass Ungarn alles Nötige tun werde, um sicherzustellen, dass das neue ungarische Mediengesetz in vollem Respekt der europäischen Wertvorstellungen von Medienfreiheit umgesetzt wird. Dies gelte ebenso für das relevante EU-Recht und die europäische Menschenrechtskonvention. Sie stellte klar, dass die Einhaltung des EU-Rechts auch bei anderen Mitgliedstaaten überprüft würde, wenn ähnliche Fälle es erforderlich machten.

Das Gesetz war mit Jahresbeginn in Kraft getreten, als Ungarn turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft übernahm. Es ermöglicht massive staatliche Eingriffe in die Medien inklusive Geldstrafen und wird von Kritikern als Beschränkung der Pressefreiheit gewertet. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte das Gesetz zuletzt verteidigt. An diesem Mittwoch will er die Ziele des ungarischen Ratsvorsitzes im Europaparlament präsentieren. Abgeordnete mehrerer Fraktionen wollen ihn zum Mediengesetz befragen. (APA)