Thomas Blimlinger:"Es ist zu wenig Platz. Und dort wo wenig Platz ist,  gibt es einen Kampf um den öffentlichen Raum."

Foto: derStandard.at/Burgstaller

"Die Elche sind in dem Fall Rot und Grün", sagt Blimlinger.

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Blimlinger über Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou: "Sie ist jetzt erst sechs Wochen in ihrem Amt und ich denke, man müsste ihr bis zum Sommer schon noch Zeit geben, bis sie perfekt eingearbeitet ist":

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Die Grünen haben in Wien auf Stadtebene erstmals Regierungsverantwortung. Das bedeutet auch, dass die grüne Basis viele Entscheidungen mittragen muss. Zu jenen die das nicht wollen hat Thomas Blimlinger, Grüner Bezirksvorsteher in Wien Neubau, eine klare Meinung: "Von denen, die das nicht so gut finden, wird man sich trennen müssen, oder sie trennen sich von den Grünen". Mit derStandard.at sprach er über das "genial, emotionale Thema" Autos, Handymasten, sein Fahrrad und über die Zusammenarbeit mit Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Die Fragen stellten Anita Zielina und Katrin Burgstaller.

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derstandard.at: Herr Blimlinger, Sie haben Weihnachtskarten verschickt auf denen draufsteht "Die stärksten Kritiker der Elche waren früher selber welche“. Wer sind die Elche, und was haben sie kritisiert?

Blimlinger: Das war ein humoristischer Ansatz für etwas was ich seit fast zehn Jahren erlebe. Nämlich, dass Dinge ganz anders aussehen, wenn man für etwas politisch verantwortlich ist, als wenn man in Opposition ist. Eine Parteiveränderung verändert auch die Menschen. Das heißt aber nicht, dass man das was man früher gesagt hat vergisst, sondern in seiner Verantwortung Dinge, die man früher gefordert hat, je nach Möglichkeit umsetzt.

Die Elche sind in dem Fall Rot und Grün.  Es fällt beiden schwer, sich auf die neue Situation einzustellen. Die Grünen kommen aus der Opposition und müssen plötzlich in verantwortlicher Tätigkeit handeln. Die SPÖ muss ihren Alleinvertretungsanspruch in bestimmten Bereichen aufgeben.

derStandard.at: In den letzten Wochen war es ziemlich ruhig, auch dadurch bedingt, dass sich die Grünen erst einarbeiten müssen. Wie lang kann denn so eine Einarbeitungszeit dauern bis man zeigen muss, wir sind jetzt da und wir arbeiten?

Blimlinger: Ich hatte letzte Woche meinen ersten offiziellen Termin mit Stadträtin Vassilakou. Mir hat ihre Professionalität sehr imponiert und auch was sie angesichts der Fülle ihrer Aufgaben und dem dichten Magistratsnetz alles weiß. Sie ist jetzt erst sechs Wochen in ihrem Amt und ich denke, man müsste ihr bis zum Sommer schon noch Zeit geben, bis sie perfekt eingearbeitet ist.

derStandard.at:  Fühlt man sich als grüner Bezirksvorsteher mit einer grünen Planungs- und Verkehrsstadträtin wohler?

Blimlinger: Ja. Man fühlt sich wohler. Es geht nicht nur darum, dass man sich persönlich kennt, es geht auch um einen professionellen Umgang miteinander.  Ich bin sicher, wir werden viele Probleme gemeinsam lösen.

derStandard.at: Welche Dinge glauben Sie jetzt leichter umsetzen zu können?

Blimlinger: Man kennt die Vorschläge der Grünen was Verkehr betrifft. Das ist schon etwas was im alltäglichen Tun eines Bezirksvorstehers angenehmer sein wird. Ich habe nicht die Sorge, dass sich auf Stadtebene Widerstand gegen Projekte im 7. Bezirk etabliert. Zum Beispiel soll die Mariahilferstraße verkehrsberuhigt werden. Ein Rückfall in Zeiten, wo allein das Auto im Mittelpunkt steht, wie es leider unter Stadtrat Schicker war, sollte nicht mehr passieren

derStandard.at: Wie ist der Zeitplan für die autofreie Mariahilferstraße?

Blimlinger:  Jetzt werden alle Vorschläge und Studien gesammelt. Bis zum Sommer sollte ein Grobkonzept vorliegen.

derStandard.at: Gibt es im 7. Ihrer Ansicht nach genug Parkplätze?

Blimlinger: In einem Bezirk, der über 100 Jahre alt ist und der in einer Zeit gewachsen ist, als es noch keine Autos gab, ist naturgemäß weniger Platz im öffentlichen Raum. Wir haben in drei Viertel des Bezirks im öffentlichen Bereich genug Stellplätze. Lediglich in der Gegend Museumsquartier/Spittelberg haben wir ein leichtes Defizit im öffentlichen Raum. Die, die hier neu zuziehen, können damit umgehen. Über zu wenige Parkplätze beschweren sich eher Ältere, die, glaube ich, nicht realisieren dass es vor 30 Jahren nur halb so viele PKWs gegeben hat wie heute. Das sehe ich eher gelassen.

derStandard.at: Sie sehen es eher gelassen, aber Autos und Parkplätze sind ein hoch emotionales Thema. Warum ist das so?

Blimlinger: Das Auto ist das genialste emotionalste Thema, das es gibt. Es soll in die Köpfe hineinkommen, dass Leute auf das Auto verzichten oder es nur dann benutzen, wenn sie es dringend brauchen oder lange Wege haben. Der Anteil der Carsharing-Benutzer ist im 7. sehr hoch. In den Köpfen der Menschen ist diesbezüglich schon sehr viel passiert.

derStandard.at: Muss man sich damit abfinden, dass es ein Gerangel zwischen den Verkehrsteilnehmern  gibt und dass sich immer eine Gruppe schlecht behandelt fühlt?

Blimlinger: Als Ökonom kann ich nur sagen: Es ist zu wenig Platz. Und dort wo wenig Platz ist,  gibt es einen Kampf um den öffentlichen Raum. In einem dicht bebauten Bezirk ist zu Gunsten jener, die „zu Fuß“ gehen zu entscheiden. Es hat aber auch Menschen gegeben, die vor zehn Jahren gedacht haben, es wird heute kein Auto mehr im 7. geben mit einem grünen Bezirksvorsteher. Diese musste ich enttäuschen.

derStandard.at: Im rot-grünen Koalitionsabkommen ist vielfach die Rede von direkter Demokratie auf Grätzelebene. Wären die Pläne für die Mariahilferstraße etwas, was einer direkten Befragung zugänglich wäre?

Blimlinger: Selbstverständlich. Meine Erfahrung der letzten zehn Jahre ist, dass es gescheit ist, die Menschen direkt einzubinden. Dann können sie sich auch mit einer Lösung, mit der sie nicht zu 100 Prozent einverstanden sind, besser identifizieren. 

derStandard.at: Für welche Projekte im 7. wäre noch ein Mitspracherecht vernünftig?

Blimlinger: Überall dort, wo es  gröbere Verkehrsorganisationsänderungen gibt. Viele Dinge entwickeln sich erst deshalb, weil Leute zu mir kommen und den Wunsch nach Beteiligung äußern.            

derStandard.at: Im 13. Bezirk gibt es Streit um einen 24 Meter hohen Handymasten, der in der Schutzzone errichtet werden soll. Wäre es zum Beispiel denkbar, dass darüber abgestimmt wird?

Blimlinger: Einerseits will jeder mit seinem Handy telefonieren. Die Betreiber sagen uns, der Handymast muss sein, damit das Telefonieren funktioniert. Man müsste das Telekommunikationsgesetz ändern, damit private Betreiber gezwungen werden, Maste gemeinsam zu nutzen.  Dahin würde ich meinen Protest richten, nicht aber gegen einen einzelnen Mast.

derStandard.at: Befragungen wegen einzelnen Handymasten werden nicht stattfinden?

Blimlinger: Wenn die Leute kommen und das wollen, werde ich mich nicht dagegenstellen. Ich halte aber nichts von dem Florianprinzip nach dem Motto: Ich will keinen Verkehr und keinen Schanigarten weil ich hier wohne, aber ich will gut zu meinem Haus zufahren können und einen Schanigarten ums Eck haben.

derStandard.at: An diesem Beispiel sieht man sehr gut, dass die Grünen nun für Entscheidungen in die Bresche springen müssen, die eigentlich noch unter der Roten Alleinregierung getroffen wurden. Wie gehen die Grünen damit um?

Blimlinger: Wir werden damit leben müssen, was vorher entschieden wurde, egal von wem. Wenn ich merke, es gibt Handlungsbedarf, muss ich etwas ändern. Aber das wird nicht so schnell gehen, wenn man Juniorpartner in einer Koalition ist.     

derStandard.at: Haben Sie das Gefühl, dass die Erwartungshaltung der Bevölkerung gegenüber den Grünen besonders hoch ist?

Blimlinger: Ja, eindeutig. Noch bevor es eine Stadtregierung gegeben hat, haben mich viele Menschen angerufen und mir gesagt, was man alles verändern muss.

derStandard.at:  Eine schwierige Situation. Wie reagiert man darauf als Partei?

Blimlinger: Man muss zuerst einmal filtern, was realistischerweise umgesetzt werden kann und wo es tatsächlich Bedarf gibt. Man muss auch den Leuten sagen, dass nicht alles von heute auf morgen geht.

derStandard.at: Was wäre der schlimmste Fehler, den die Wiener Grünen jetzt machen könnten?

Blimlinger: Wir werden gewisse Dinge mittragen müssen. Aber im Sinne des Populismus gewisse Dinge zu tun, die die Grünen eigentlich gar nicht wollen, hielte ich für falsch.

derStandard.at: Gibt es innerhalb der Basis einen Konsens darüber, dass die Grünen nun in der Koalition gewisse Dinge mittragen müssen?

Blimlinger: Grundsätzlich ja, aber es gibt auch Leute, die damit nicht umgehen können. Das passiert bei jeder Partei, wenn sie von der Opposition in die Regierungsverantwortung wechselt. Bei den  Grünen passiert das vielleicht stärker, weil sie das noch nie hatten. Daher ist die Erwartung groß. Von denen, die das nicht so gut finden, wird man sich trennen müssen, oder sie trennen sich von den Grünen.

derStandard.at: Sie haben ihr Fahrrad auf Facebook gesucht. Ist es wieder aufgetaucht?

Blimlinger: Noch bevor ein Bericht über meine Facebooksuche in den Zeitungen war ist es wieder aufgetaucht. Das Netz funktioniert gut.

derStandard.at: Sie sind offenbar passionierter Radfahrer. Würden Sie gerne der Radfahrbeauftragte in der neuen Koalition sein?

Blimlinger: Ich würde gerne viel mitreden, ja - Aber der Radfahrbeauftragte möchte ich nicht sein. (Anita Zielina, Katrin Burgstaller, derStandard.at, 18. Jänner 2011)