Bild nicht mehr verfügbar.

Überzeugte mit Mahler-Liedern: Bariton Thomas Hampson.

Foto: APA

Wien - Es gehören schon Durchhaltevermögen und Starrköpfigkeit dazu, sich über Jahrzehnte einer künstlerischen Karriere den Ruf als Enfant terrible und Provokateur zu bewahren. Seit seinem legendären Ausscheiden aus dem Chopin-Wettbewerb (1980) und dem damit verbundenen Eklat ist sich Ivo Pogorelich insofern treu geblieben: Seine Interpretationen haben auch nach 30 Jahren das Potenzial anzuecken, zu irritieren, auch wenn ein gewisser Gewöhnungseffekt zu beobachten ist.

Im Konzerthaus gab es jedenfalls keinerlei Reaktionen, die auf eine besondere Verwunderung hätten schließen lassen. Zu Unrecht: Denn Pogorelich benutzte Rachmaninows 2. Klavierkonzert als Steinbruch der Eruptionen - und als Vorwand für höchst eigenwillige Akzentuierungen. So gut wie jeder Taktschwerpunkt wurde da pompös herausgeknallt, während der Pianist zugleich auch größte Dünnhäutigkeit mit wattiger Zurücknahme zur Schau trug und andererseits die virtuosen Kaskaden mit einem solchen Schwung absolvierte, dass er oft einen Deut vor dem Orchester am Ziel war. Zwiespältig, wie zielsicher-destruktiv er einstimmige Melodielinien im 2. Satz mit einem Finger (!) zerhackte oder aus dem Auflösungsfeld der weniger bewegten, retardierenden Einschübe im dritten Satz Einzeltöne hervorstechen ließ.

Dirigent Fabio Luisi verlor dabei mit den Wiener Symphonikern nicht nur nicht die Übersicht, sondern wusste auch so adäquat wie möglich zu reagieren: mit Herbheit und ungewohnt differenzierten Akzentsetzungen. Und selbst noch nach der Pause war in der ein wenig getragen vorgetragenen 4. Symphonie von Brahms etwas von jener überschießenden Energie übrig.

Energetisches, indes von eher ausgewogener Art, im Wiener Musikverein: Bariton Thomas Hampson präsentierte sich bei seiner Rückkehr in den Musikverein mit Mahlers Liedern eines fahrenden Gesellen als fulminanter poetischer Erzähler. Umsorgt von den Wiener Philharmonikern unter Mariss Jansons demonstrierte er Klarheit, Leichtigkeit wie Klangraffinesse samt sensibler Linienausgestaltung.

Hampson in Bestform.

Auch für Jansons war's eine Art Rückkehr nach krankheitsbedingter Pause. Und auch der Lette reüssierte - mit einer straffen, intensiven Version der Symphonie fantastique von Berlioz. Die Eindrücke vom Freitag (zu Jansons' 68. Geburtstag sang der Saal, von Hampson animiert, ein Ständchen) bestätigten sich beim samstägigen Philharmonischen. Dass es, bei nahezu ident flotten Tempi, noch ausgewogener und differenzierter klang, mag am Hörplatz (27. Reihe) gelegen haben. In der dritten Reihe (eher rechts), wie am Freitag, sind ja manche Qualitäten nur zu erahnen. (daen, tos, DER STANDARD/Printausgabe 17.1.2011)