Die meisten Möbel sind selbstgebaut, wie es sich für echte Wagensiedler gehört: Jacob Schaefer, Lena Siebert und Sohn Neo in ihrem Wohnwagen in der Lobau.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Physikerin Lena Siebert und Möbeltischler Jacob Schaefer wohnen seit fünf Jahren auf Achse. Wojciech Czaja besuchte das Paar in seinem Wohnwagen in der Lobau.

"Der Winter ist eigentlich gar nicht so schlimm. Das Problem im Innenraum ist nämlich nicht die Kälte, sondern die Hitze! Unser Wagen ist ganz gut gedämmt. Und da der Holzofen für viel größere Räume dimensioniert ist, ist die Temperatur im Wagen manchmal schon ziemlich romantisch. Angelaufene Fensterscheiben gehören zum Alltag in der kalten Jahreszeit.

Wenn wir aus dem Wagen rausmüssen, ziehen wir uns schnell was Warmes über. Auch kein Problem. Der Sanitärwagen steht nur ein paar Schritte entfernt. In einem Raum gibt es Dusche und Waschmaschine, in einem anderen Raum gibt es WC und Bidet. Das ist ein Luxus, den uns einmal jemand nachmachen soll! Der WC-Wagen ist überhaupt super. Großes Panoramafenster und Ausblick in die Natur.

Aber natürlich ist das Leben im Sommer viel angenehmer. Meistens stehen die Türen dann tagelang offen, und wir sitzen bis tief in die Nacht im Freien, essen, trinken, feiern und unterhalten uns mit unseren Freunden. Bei schönem Wetter hat man hier überhaupt das Gefühl, direkt unter freiem Himmel zu wohnen.

Derzeit sind es rund 20 Leute, die hier auf dem Lobauer Wagenplatz leben. Die Hintergründe sind sehr unterschiedlich. Es gibt Studenten, Automechaniker, Sozialarbeiterinnen, bunt gemischt. Der eine ist Möbeltischler und Dekorationsbauer, die andere arbeitet als Physikerin im Krankenhaus. Die Stimmung zwischen all den Leuten ist sehr gut.

Der einzige Nachteil hier in den Donauauen sind die Moskitos. Die sind ein Wahnsinn! Wir haben Moskito-Netze eingebaut, sprühen uns in chemische Wolken, was bei den Mutanten aber sowieso kaum was nützt, und sitzen dann unter aufgespannten Zelten – oder im Kapuzenpulli bei 30 Grad im Schatten.

In den letzten fünf Jahren sind wir mit unserem Wagen schon fünfmal umgezogen. Es wird nie fad. Bis zum Sommer haben wir im zweiten Bezirk in der Hafenzufahrtsstraße gewohnt, draußen in Richtung Containerhafen. Nun sind wir seit ein paar Monaten in den Donauauen zu Hause, mitten in der Lobau.

Wir haben um den Platz jahrelang verhandelt. Bis es zum endgültigen Mietvertrag gekommen ist, war es ein langwieriger und zäher Prozess. Das Witzige ist, dass unser Wagen laut Bauordnung ein Gebäude ist. In der Bauordnung steht sinngemäß drinnen: Dadurch, dass so ein Wagen durch sein Gewicht mit dem Boden verbunden ist, gilt er als Bauwerk. Das heißt: In dem Moment, wo wir den Wagen irgendwo fix parken, errichten wir – juristisch betrachtet – einen Neubau, für den wir auch eine Baugenehmigung brauchen. Und wenn wir wegziehen, brechen wir den Neubau wieder ab. Dafür brauchen wir dann einen Abbruchbescheid. Schon lustig das Ganze!

Unser Wagen ist rund 8,5 Meter lang und 2,5 Meter breit. Es ist erstaunlich, wie viel man auf so einer Fläche unterkriegt. Das ist ein Einraum für alles. Die meisten Möbel sind natürlich selbstgebaut, so wie sich das für einen echten Wagensiedler gehört. Der Rest ist wild zusammengewürfelt. Wir haben Möbel aus diversen Lagern und Secondhand-Läden. Das eine oder andere haben wir auch im Internet ersteigert.

Die Fünfzigerjahre-Kredenz in der Küche etwa haben wir erst seit kurzem. Die haben wir saniert und neu gestrichen. Das Bett liegt etwas erhöht auf einer Art Podest, sodass man darunter noch stehen kann. Stauraum haben wir eigentlich auch genug. Generell unterscheidet sich das Leben von dem in einer Wohnung dadurch, dass man reduzierter wohnen und mit dem Platz etwas sorgfältiger und effizienter umgehen muss. Aber da sind wir schon gut in Übung.

In Summe sind wir mit unserem Leben hier sehr glücklich. Manchmal ist es etwas eng. Wenn wir älter sind, würden wir gerne mal auf einem Hausboot wohnen. Ja, das wäre unser Traum für die Zukunft." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15./16.1.2011)