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Der Konflikt um das neue Mediengesetz hat Regierungschef Viktor Orbán den Auftakt der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft vermasselt. Die Regierung in Budapest zeigt sich von der massiven ausländischen Kritik "völlig überrumpelt".

Foto: EPA/Kovács

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Auch in Ungarn selbst kam es schon vor der für Freitagabend angesetzten Großdemonstration immer wieder zu Protestaktionen.

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Der 36-jährige Informatiker Róbert Fölkel kommt dieser Tage nicht zu Ruhe. Ausländische Reporter geben sich bei ihm die Türschnalle in die Hand, E-Mails mit tausenden Fragen strömen auf ihn ein, immer wieder summt sein Handy. Fölkel ist einer der Organisatoren des ersten über Facebook organisierten größeren Bürgerprotests in Ungarn. Er und über 70.000 Anhänger der Facebook-Seite "Eine Million für die ungarische Pressefreiheit" verlangen die Rücknahme des umstrittenen neuen Mediengesetzes.

Fast 7000 Menschen meldeten sich über Facebook zu der Kundgebung am Freitagabend vor dem Budapester Parlament an. Unabhängig davon bewertet Fölkel die neue Selbstaktivierung der ungarischen Internetgemeinde als Erfolg. "Unsere Seite hat in nur drei Wochen über 70.000 Anhänger gewonnen - und damit die seit einem halben Jahr existierende Fan-Seite von Ministerpräsident Viktor Orbán mit ihren 60.000 Anhängern überholt", bilanziert er im STANDARD-Gespräch.

Politisch aktiv war Fölkel nach eigener Darstellung noch nie. Als Orbáns rechtsnationaler Bund Junger Demokraten (Fidesz) bei der April-Wahl letzten Jahres die Zweidrittelmehrheit im neuen Parlament errang, habe ihn dies sogar mit gewissen Hoffnungen erfüllt. Obwohl er selbst nicht zur Wahl gegangen sei, "weil es keine ernsthafte Kraft gab, durch die ich meine Anliegen vertreten sah". Dennoch habe er erwartet, dass Orbán, ausgestattet mit einem derartig starken Mandat, "das Land endlich in Ordnung bringt".

Aushöhlung der Demokratie

Stattdessen habe die neue Regierungsmehrheit fast nur Gesetze und Verfassungsänderungen beschlossen, die der Absicherung der Macht und der Aushöhlung der Demokratie dienten. Das Mediengesetz habe für ihn "das Fass zum Überlaufen gebracht", legt Fölkel dar. "Ich fand es empörend, dass man sich da anmaßt, mir das Wort zu verbieten, wenn ich zum Beispiel blogge. Oder dass anderen Menschen, wo immer sie sich äußern, das Wort verboten wird."

So wurde er unversehens zum Internet-Aktivisten, der die Generation Facebook angesichts der drohenden Einschränkung von Grundrechten sensibilisieren will. Doch nicht nur der virtuelle, sondern auch der reale Raum müssten "bespielt" werden. "Wir halten es für wichtig, dass die Menschen auch physisch zeigen, wofür sie stehen." Die Berichterstattung der ausländischen Medien und die aus dem Ausland entgegengebrachte Solidarität würden ihn und seine Gefährten "ermutigen". Er erwähnt auch die in Österreich auf den Weg gebrachte Facebook-Seite "Medien- und Meinungsfreiheit für Ungarn" mit ihren bis jetzt fast 2000 Anhängern, den am Donnerstag in elf österreichischen Tageszeitungen als Gratisanzeige geschalteten Appell und die am Freitag zeitgleich mit dem Budapester Protest angesetzte Kundgebung vor der ungarischen Botschaft in Wien. Der Verband Österreichischer Zeitungen äußerte sich am Freitag "tief besorgt" über die durch das Gesetz mögliche Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn.

Der Regierung Orbán hat der international ausgeweitete Konflikt um das Mediengesetz den Auftakt der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft gehörig vermasselt. Am Donnerstag luden Regierungssprecherin Anna Nagy und die für die Umsetzung zuständige Medienregulierungsbehörde NMHH die in Budapest tätigen ausländischen Journalisten zu einem Presse-Café ein. Im Ton gab man sich sachlich. Kommunikations-Staatssekretär Zoltán Kovács räumte ein, dass man sich durch die Massivität der ausländischen Kritik "völlig überrumpelt" gefühlt habe. Anders als etliche Fidesz-Medien machte er nicht irgendwelche "Verschwörungen" und die dahintersteckende "Wühlarbeit" linker und liberaler ungarischer Intellektueller dafür verantwortlich, sondern die "Eigendynamik" westlicher Medienhypes. NMHH-Vertreter András Koltay sagte, seine Behörde sei nicht darauf aus, politische Meinungsbekundungen zu bestrafen. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD; Printausgabe, 15./16.1.2011)