Bild nicht mehr verfügbar.

Flexibilität, ein schöner Mythos der Arbeitswelt, deren wahre Auswirkungen kaum ein Arbeitnehmer erleben möchte.

Foto: APA

Zeitarbeit, Leasing oder Arbeitskräfteüberlassung - wie immer man es bezeichnen möchte - die Branche boomt: Die Arbeitslosenquote sinkt, die Anzahl der Leiharbeiter verzeichnet gleichzeitig einen sprunghaften Anstieg. Allein in Wien hat sich die Zahl der überlassenen Arbeitskräfte in atypischer Beschäftigung, d.h. jener die nicht der Denkfigur des Normalarbeitsverhältnisses entsprechen, laut einer Studie des Politikwissenschaftlers Emmerich Tálos in den letzten Jahren verdoppelt .

Auch Lisa* arbeitet seit etwa zwei Jahren als Leiharbeiterin unter prekären Arbeitsverhältnissen in einem Versicherungsunternehmen in Wien. Die 24-jährige Studentin suchte nach ihrem Studienabschluss der Germanistik verzweifelt nach einem Job bis sie sich aufgrund mangelnder Angebote auf das Experiment Leiharbeit einließ. Unzählige Bewerbungsversuche waren zu diesem Zeitpunkt schon im Sande verlaufen. Was zu Beginn lediglich eine drohende Arbeitslosigkeit bzw. finanzielle Engpässe verhindern sollte, wurde zu einer langfristigen Lösung.

Mit dieser Entscheidung folgt Lisa einem Trend, der mittlerweile viele tausende Arbeitnehmer in Österreich betrifft. Sie nehmen mit ihren Leih- und Teilzeitjobs ein höheres Risiko in Kauf in wirtschaftlich schweren Zeiten, die ersten zu sein, die entlassen werden. Für eine Vielzahl von Firmen ist Leiharbeit nicht unbedingt billiger, aber auf alle Fälle "günstiger". Sie bleiben dadurch flexibel und vor allem ohne viele, schwer kündbare Mitarbeiter. Flexibilität, ein schöner Mythos der Arbeitswelt, deren wahre Auswirkungen kaum ein Arbeitnehmer erleben möchte.

Schöne neue Arbeitswelt

Leiharbeitsfirmen, wie z.B. Trenkwalder, Manpower oder Adecco werben vor allem damit, dass sie eine kurzfristige Einstiegshilfe und Übergangslösung für all jene bieten, die es sonst schwer hätten einen Vollzeitjob zu finden. Diesen angeblichen Chancen schnellen Zugang zu Erwerbsarbeit (als Alternative zu Arbeitslosigkeit) zu bekommen, stehen aber mehrere Probleme gegenüber: Leiharbeiter haben nur eine geringe soziale Absicherung bei Arbeitsverlust und verdienen im Durchschnitt wesentlich weniger als ihre fixangestellten Kollegen.

Laut Tálos ist es nicht überraschend, dass das Einkommen von geringfügig Beschäftigten und Teilzeitbeschäftigten weit unter dem von Standard-Erwerbstätigen liegt. Bei diesen Dienstnehmern sind Einkommenseinbußen die unmittelbare Folge einer erhöhten Flexibilisierung. Das EU-Parlament erließ bereits Ende 2008 eine Richtlinie zur Gleichbehandlung von Leiharbeitern. Sie sieht vor, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von einem Unternehmen unmittelbar eingestellt worden wären. Dass die Realität meistens anders aussieht, beweisen Beispiele von verärgerten Leiharbeitern, die von unzähligen Schikanen erzählen.

Der Druck der Anstellung

Obwohl kollektivvertraglich festgeschrieben ist, dass Leiharbeiter, deren Vertrag ausläuft oder sie nicht mehr gebraucht werden, von ihrer Leiharbeitsfirma noch mindestens zwei Wochen weiterbeschäftigt werden müssen, bevor sie beim AMS angemeldet werden (Behaltefrist), umgehen viele Firmen dieses Gesetz, indem sie die Arbeitnehmer dazu drängen eine einvernehmliche Vertragsauflösung zu akzeptieren. Damit übertragen sie die Kosten einer möglichen Stehzeit direkt auf den Steuerzahler. Leiharbeiter sehen sich an ihren Arbeitsstellen aber auch einem unwesentlich größeren Druck ausgesetzt als Angestellte in Normalarbeitsverhältnissen. Das von der Politik oft gebrachte Argument, dass in Hochkonjunkturzeiten vermehrt Leiharbeiter von ihren Firmen übernommen werden, grenzt eher an einen Wunschtraum. Der so genannte "Klebeeffekt", also der Anteil der Beschäftigten der bei dem Entleihunternehmen dann auch in reguläre Beschäftigung übernommen wird, liegt nach Schätzungen der deutschen Hans Böckler Stiftung bei höchstens 15 Prozent, wahrscheinlich aber darunter.

Arbeitnehmer zweiter Klasse

Viele überlassene Arbeitskräfte haben in ihren Jobs schon mehrmals Bekanntschaft mit dem Unterschied zwischen Leiharbeitern und Fixangestellten gemacht. Bei Weiterbildungsmaßnahmen oder bei Betriebsrat-Initiativen gehen sie leer aus. Diese Erfahrung hat auch Lisa gemacht. Als in ihrer Firma die Übernahme der Startgebühr für ein Sportevent ankündigt wurde, meldete sie sich als Mitarbeiterin gleich dafür an. Ohne zu ahnen, dass dies ein Problem darstellen könnte. Tags darauf erfuhr sie, dass sie dafür nicht in Frage kommt, da das Bezahlen ihres Beitrags eine "Zweckentfremdung" der Betriebsratsgelder wäre. Betriebsräte sind nämlich nicht dazu verpflichtet Leiharbeiter zu vertreten. Viele Leasingkräfte fühlen sich dadurch diskriminiert und als Arbeitnehmer zweiter Klasse. Nicht selten stellt sich für verliehene Arbeitskräfte sehr schnell das Gefühl ein für ihre Arbeit nicht genug honoriert zu werden. Vom Arbeitgeber in den Bilanzen unter Sachkosten geführt zu werden, tut dann sein Übriges. (Armand Feka, 13. Jänner 2011, daStandard.at)