Wien - Im Zusammenhang mit dem 2009 bekanntgewordenen Betrugsskandal in der Buchhaltungsagentur des Bundes (BHAG) übt der Rechnungshof massive Kritik an der Agentur und dem Finanzministerium. Ein früherer Bereichsleiter der BHAG soll Geld von Konten der Republik veruntreut haben. Dies sei "durch Unzulänglichkeiten in den Verfahren der BHAG und eine vom Finanzministerium nicht vollständig behobene Sicherheitslücke begünstigt" worden, schreibt der RH in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht. "Ein internes Überwachungssystem, das außergewöhnliche Vorgänge aufgezeigt hätte, bestand in der Haushaltsverrechnung des Bundes nicht."

Der frühere Bereichsleiter der BHAG hat laut RH gemeinsam mit einer ihm unterstellten Abteilungsleiterin rund 17,5 Millionen Euro von Konten der Republik per Telebanking "an nicht berechtigte Dritte" überwiesen und widerrechtlich Schuldscheine der Republik ausgestellt. Diese Schuldscheine - konkret Forderungen der Schulungsfirma "Venetia" gegenüber dem AMS - sollen dann von weiteren beschuldigten Personen an Privatinvestoren verkauft worden sein. Insgesamt beliefen sich die Forderungen gegen die Republik mit Stand von 31. Dezember 2009 auf rund 33,5 Mio. Euro.

Die BHAG verfügte bis zur Aufdeckung der Malversationen weder über eine Dokumentation der ein- und ausgehenden Geschäftspost noch über ein Aktenablagesystem. Dies erschwerte die frühzeitige Aufdeckung des Vorgehens des Bereichsleiters, kritisiert der RH. Für die Überweisungen sei jenes Bankkonto herangezogen worden, das für die Zahlung von Arbeitslosengeldern vorgesehen war. Der Bereichsleiter habe dabei jene Sicherheitslücke genützt, deren Behebung der RH bereits in einem Vorbericht empfohlen hatte, die jedoch das Finanzministerium in diesem konkreten Bereich unverändert belassen habe. Die rechtswidrigen Überweisungen seien auf einem Evidenzkonto verbucht worden. Dadurch sei der Umsatz auf diesem Konto im Jahr 2008 um das rund 350-fache gestiegen. Ein internes Überwachungssystem, das derartige Auffälligkeiten gemeldet hätte, habe in der Haushaltsverrechnung nicht bestanden. Auch die gesetzlich vorgesehene nachgängige Prüfung durch die BHAG sei in diesem Fall nicht wirksam gewesen. Der für die Malversationen verantwortliche Bereichsleiter sei nämlich sowohl für die Erteilung des Prüfauftrags als auch für die Genehmigung des Prüfberichts zuständig gewesen, kritisiert der RH.

Konsequenzen aus dem Skandal

BHAG-Geschäftsführer Helmut Brandl hatte bereits im vergangenen September Konsequenzen aus dem Skandal verkündet und gemeint, dass ein weiterer solcher Fall nun auszuschließen sei. Die primäre Sicherheitslücke in der BHAG - die operative Verantwortung der Bereichsleiter bei Anwendung von Telebanking - sei von der BHAG geschlossen worden. Es gebe auch kein Telebanking mehr. Zusätzlich wurde ein "Sechs-Augen-Prinzip" eingeführt. "Erfassung, Buchung, und Zahlung sind eigene Schritte und personell getrennt", erläuterte Brandl damals.

Trotzdem ist die Angelegenheit für die BHAG damit noch keineswegs erledigt. So schreibt der RH, dass die Agentur durch die Übernahme der Verpflichtung zur Abdeckung des Schadens ihres Ex-Mitarbeiters "in eine prekäre wirtschaftliche Situation" geraten sei. Deshalb sei eine "schriftliche Patronatserklärung" des Finanzministers erforderlich gewesen. Die BHAG wälzt nun die Kosten des angerichteten Schadens an ihre Kunden - Ministerien, Parlament und Arbeitsmarktservice, für die sie das Rechnungswesen erledigt - ab. Wie in den letzten Jahren gebe es zwar auch heuer eine Preisreduktion für die Kunden, diese falle nun aber um fünf Prozent niedriger aus, als dies ohne den Vorfall möglich gewesen wäre. Dies geschehe aufgrund einer Weisung des Finanzministeriums, wonach die Kosten auf die Kunden übertragen werden müssen, sagte ein Sprecher der BHAG am Donnerstag gegenüber der APA. Der RH empfiehlt der BHAG hingegen, erst mit einem Gutachten zu klären, ob die Kosten auf die Kunden übergewälzt werden können.

Mit den strafrechtlichen Konsequenzen des Falles hat sich der RH naturgemäß nicht beschäftigt, diese liegen in den Händen der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Deren Sprecher Friedrich König bestätigte am Donnerstag gegenüber der APA, dass seine Behörde die Erhebungen abgeschlossen und einen Bericht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien geschickt habe. Deshalb könne man vorerst noch keine Details nennen, es habe sich jedoch "an der bestehenden Verdachtslage bis zum Abschluss der Erhebungen nichts geändert", deutete König an, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Erhebung einer Anklage empfiehlt. Ermittelt wurde gegen den früheren Bereichsleiter der BHAG, den ehemaligen "Venetia"-Geschäftsführer, einen Vermögensvermittler und einen Rechtsanwalt sowie weitere Personen.

Weitere Kritikpunkte

Abgesehen von der Kritik im Zusammenhang mit dem Betrugsskandal listet der RH in seinem Bericht noch eine Reihe weiterer Kritikpunkte auf. So habe die BHAG im Jahr 2008 um sechs Prozent zu hohe Preise verrechnet, was zu einem operativen Gewinn von 1,92 Mio. Euro geführt habe. Zudem hätten die Kunden um 8,8 Mio. Euro weniger zu bezahlen gehabt, wenn die wesentlich kürzeren Leistungszeiten aus der inzwischen durchgeführten Zeitenevaluierung verrechnet worden wären. Der BHAG-Sprecher betonte dazu, dass die Agentur keine Gewinne mache und Überschüsse ihren Kunden rückerstatte. (APA)