Immer lauter werden die Stimmen jener, die den derzeitigen politisch Verantwortlichen übergroße Vorsicht und Zögerlichkeit - und damit Furcht vor notwendigen und mutigen Reformen - vorwerfen. Das vor seinem Beschluss stehende Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern wird diese Vorbehalte nur verstärken: Sechs Schritte vor, fünf zurück, lautete hier offenbar die Devise der Entscheidungsträger aus SPÖ und ÖVP. Und bevor man diese ohnehin nicht recht weiterführende gymnastische Übung wagte, zögerte man jahrelang: Der ursprüngliche Entwurf datiert aus dem Herbst 2009.

Sechs Schritte vor: Artikel eins bis sechs des Entwurfs schreiben Rechte wie jenes auf Beachtung des Kindeswohls und jenes des Kindes auf seine beiden Eltern fest. Fünf Schritte zurück: Fünf der sechs Zusicherungen können außer Kraft treten, wenn die Asylbehörden, die Fremdenpolizei oder auch die Strafvollzugsbehörden mit Minderjährigen zu tun haben.

So entpuppt sich die als Stärkung universeller Rechte verkaufte Novelle als Mogelpackung. Denn sie treibt die Spaltung der Gesellschaft in Inländer mit vollen und Drittstaatsangehörige mit reduzierten Rechten schon bei Kindern voran. Unteilbar - und damit für alle Minderjährigen ein echter Fortschritt - ist in dieser Novelle nur das Recht auf gewaltfreie Erziehung: Fremdenrechtlicher Außerkraftsetzung widersetzt es sich schon dem Wesen nach. (Irene Brickner, DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2011)