In der Secession widmete sich Manfred Pernice auch der Frage, wie Kunst und Betrachter einander begegnen oder eben "nicht begegnen"

Foto: Secession/ Ottenschläger

Blick in eines der beiden (R)egale der „(R)egal of creativity" (2010): Mit den Skulpturen spielt Manfred Pernice auf den Auslagencharakter des Schauraums der Galerie nächst St. Stephan an.

Foto: Markus Wörgötter

Wien - "Kaba - Behälter 2008, Inhalt und Verpackung von Ratte(n) angenagt", weist ein Schild, das sich wenig von jenen in den Vitrinen volkskundlicher Museen unterscheidet, eine ordinäre Kaba-Dose (deutsches Kakaogetränkpulver) aus. Der deutsche Bildhauer Manfred Pernice hat die Verpackung u .a. gemeinsam mit verkitschten Abbildungen des Heiligen Franziskus und diversen Büchern zu einem bizarren Ensemble zusammengespannt.

Eine Auslagengestaltung, die zufällig wirkt, jedoch gut ausgeleuchtet ist und mit ein paar hingeworfenen Glitzersteinen sehr präzise Hinweise auf Schaufensterdekoration - also auf den kommerziellen Bereich des Waren-Feilbietens - gibt. Auf Einladung der Galerie Nächst St. Stephan, die Pernice 1997 und 1999 erstmals in Österreich präsentierte, bespielt der 47-Jährige den straßenseitigen Schauraum der Galerie, deren Fenster er kurzzeitig zu zwei Schaufenstern mit Regalfächern umgewandelt hat und damit auch formal und nicht nur über die präsentierten Alltagsobjekte auf Geschichte und Funktion dieser Räume, die unter anderem einmal ein Buchgeschäft waren, hinweist.

(R)egal of creativity nennt Pernice, der von 2004 bis 2009 an der Akademie unterrichtete, seine Auslagenskulpturen; wobei "(R)e gal" wohl eher den deutschen als den englischen Wortsinn meint. Ebenso klingt leise, ironische Kritik daran durch, dass Galerien sich über Ladenlokale noch mehr in Bereiche des Anpreisens wagen: Billige Wechselrahmen aus dem Baumarkt stehen für eine Kleinkunst "zum Mitnehmen" - womöglich im Vorbeigehen.

Schnelles Passieren verträgt sich mit Pernices Arbeiten jedoch keinesfalls. Besser ist es, man ist bereits ein wenig mit dem Werk des Künstlers vertraut. Dann erkennt man in den spontan wirkenden Arrangements die präzis gesetzten Hinweise und die Beschäftigung mit formalen Fragen des Displays. Intensive Auseinandersetzung mit der Arbeitsweise von Pernice, der immer wieder Problemzonen der Skulptur verhandelt und in seinen formalen Auseinandersetzungen Blicke auf soziokulturelle Phänomene und den öffentlichen Raum einbezieht, ermöglicht derzeit eine Soloshow in der Secession.

Verbindendes Element beider Präsentationen ist im Übrigen das Motiv einer Brücke: Aus dem Modell in der Vitrine wird ein Raummodul, unter dem hindurch man den "ideal gebauten" Hauptraum betritt. Dort erzählt Pernice anhand einzelner Fragmente eine Geschichte nicht im klassischen Sinn, sondern beschreibt den "Moment der Ausbreitung einer Geschichte, die keine Erzählung mit Anfang und Ende ist". (Anne Katrin Feßler/ DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2011)