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Depressive Menschen schotten sich von ihrer Umwelt ab. Wird der psychische Schmerz unerträglich, kann es zu Suizidgedanken kommen.

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Reinhold Fartacek, Ärztlicher Direktor und Leiter des Sonderauftrages Suizidprävention an der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg: "Ein Mensch, der sich psychisch und körperlich gesund fühlt und einigermaßen sozial eingebettet ist, nimmt sich nicht das Leben."

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In Österreich nehmen sich jährlich fast 1.300 Menschen das Leben, wobei die Zahl seit 1987 kontinuierlich sinkt. In den allermeisten Fällen sind es psychische Erkrankungen die dazu führen, dass der Suizid als letzter Ausweg gesehen wird. "Ein Mensch, der sich psychisch und körperlich gesund fühlt und einigermaßen sozial eingebettet ist, nimmt sich nicht das Leben", erklärt Reinhold Fartacek, Ärztlicher Direktor und Leiter des Sonderauftrages Suizidprävention an der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg.

Völlig negative Weltsicht

Schwere psychische Leiden wie Depression, Schizophrenie, Substanzabhängigkeit oder Persönlichkeitsstörungen sind sogar in mehr als 90 Prozent der Fälle die Basis für einen Suizid. Die häufigste Form einer solchen Erkrankung ist die Depression. "Sie ist von einer völlig negativen Weltsicht geprägt", erklärt Fartacek. "Gesunde Menschen können abwägen, was für oder gegen eine Sache spricht. Genau dazu ist ein depressiver Mensch nicht in der Lage, er kann nur noch die negativen Perspektiven sehen." Damit verbunden entsteht letztendlich auch der Eindruck, nie wieder gesund werden zu können, weder durch antidepressive Medikamente noch durch Psychotherapie. Diese Sinnlosigkeitsgedanken können bei depressiven Menschen zu der Überlegung führen, dass es besser wäre, nicht mehr zu leben.

Keine Erklärung für psychischen Schmerz

Laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) leidet jeder fünfte Mensch im Laufe seines Lebens zumindest einmal an einer klinisch schweren Depression. Eine akute Suizidgefährdung besteht aber nur für einen geringen Prozentsatz der Betroffenen. "Dazu kommt es, wenn die Situation immer enger erlebt wird und der damit verbundene psychisch erlebte Schmerz so unerträglich wird, dass der Gedanke kommt: Ich könnte mir das Leben nehmen, denn egal was nachher kommt, es kann nur besser sein als der jetzige Zustand", so der Arzt.

Hinzu kommt, dass es für diesen starken Schmerz keine Erklärung gibt, er kommt aus heiterem Himmel und macht die Betroffenen völlig ratlos. "Dass man keine Begründung für sein Leiden findet, macht die Situation ausweglos", erklärt Fartacek. Dass ein Suizid endgültig ist, ist vielen jedoch nicht klar. Sie möchten häufig aus einer aktuell als unerträglich wahrgenommenen Situation flüchten. "Das Tragische ist, dass man in dieser Situation nicht sehen kann, dass die Probleme vorübergehend sind, wieder vergehen."

Mit Lebenskrise gekuppelt

Manchmal tritt eine Depression im Rahmen einer Lebenskrise auf. Jeder Mensch durchlebt im Laufe seines Lebens Krisen, etwa durch den Tod von wichtigen Personen oder andere Verlusterlebnisse. In der Regel können solche schwierige Phasen ohne professionelle Hilfe durchgestanden werden, selbst ein Ausweg oder Neubeginn gefunden werden. Hat ein Mensch aber die Disposition, depressiv zu reagieren oder Alkohol oder Drogen schädlich zu gebrauchen, kann es im Laufe von Krisen zu psychischen oder auch körperlichen Erkrankungen kommen, welche wiederum zu Suizidgedanken führen können.

Depressive ziehen sich zurück

Aus welchen Gründen auch immer ein Mensch depressiv ist: Für eine mögliche Suizidgefährdung gibt es Anzeichen, die vom unmittelbaren Umfeld wahrgenommen werden können. Dazu gehört das plötzliche völlige Abschotten von der Außenwelt. "Es kann ein Warnsignal sein, wenn sich ein Mensch, der immer mitten im Leben gestanden hat, Humor zeigte, sich am sozialen Leben beteiligte, plötzlich völlig zurückzieht, nicht reagiert, auch wenn aktiv Kontakt aufgenommen wird", weiß Fartacek. Sehr häufig kommt es auch zu Schlafstörungen in Verbindung mit depressivem Erleben wie quälender innerer Unruhe. Während bei betroffenen Frauen eine depressive Verstimmung meist gut erkennbar ist, zeigen sich Männer nicht selten gereizt, unruhig oder abweisend.

Stationäre Behandlung

Beim Erkennen einer Depression oder anderen psychischen Erkrankungen kommt dem Hausarzt oft eine Schlüsselposition zu. Er gilt als wesentlicher Vermittler zu fachärztlicher und psychotherapeutischer Hilfe. Ein großer Teil von Depressionen lässt sich ambulant durch Medikamente und Besuche bei Facharzt und Psychotherapeut behandeln. Im Falle schwerer Depressionen besteht die Möglichkeit einer stationären Behandlung. "Das betrifft vor allem Menschen die die Fähigkeit verloren haben einen normalen Alltag zu meistern oder in einer sehr schweren Lebenskrise stecken", so Fartacek.

Hilfe für depressive Menschen

Die stationäre Behandlung an der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg verfügt sowohl über Betten als auch über Tagesklinikplätze. Ein Aufenthalt dauert im Schnitt zwei bis drei Wochen, die Therapiemethode ist in beiden Fällen nahezu dieselbe: Ein Behandlungsteam aus Arzt, Psychotherapeut und Pfleger kümmert sich um den Patienten, neben täglichen Einzelgesprächen gibt es Gruppentherapien und genaue körperliche und psychische Untersuchungen.

Während dieser relativ kurzen Zeit gelte es, sehr strukturiert zu arbeiten und einen genau geplanten Ablauf einzuhalten, was nur in Zusammenarbeit mit dem Patienten funktioniere, erklärt Fartacek. "Letztlich ist unser Ziel, dass ein Patient beim Verlassen der Station ein Gefühl dafür hat, wie die Depression bei ihm entstanden ist, was es mit dieser Erkrankung auf sich hat, wie die Behandlung weitergeht und was es braucht, um wieder stabil zu werden." (Maria Kapeller, derStandard.at, 18.1.2011)